Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
richtigen Weg weisen wird. Doch der Weg nach Regensburg ist Euch verwehrt. Euer Gatte hat ein anderes Haus für Euch im Sinn.«
»Nämlich?«
»Das Dominikanerinnenkloster Heilig Kreuz.«
Es war Arigund nicht mehr möglich, die Tränen zurückzuhalten. Das war weit weg von Regensburg. Dort würde sie ein Niemand sein, eine Ehebrecherin ohne Privilegien, die man zu den niedrigsten Arbeiten heranziehen würde. Ohne ein Wort des Trostes drehte sich Pater Anselm um und verließ den Raum. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss.
*
Schon am nächsten Tag stand der Holzkarren bereit, der Arigund zu dem etwa zwei Tagesreisen entfernten Kloster bringen sollte. Sie durfte bis auf ihr hölzernes Kästchen nichts mitnehmen. Ihre gesamte Aussteuer, ihr Schmuck, ihre Kleider blieben auf der Burg. Wirtho ließ ausrichten, man würde alles nach Regensburg zu ihrem Vater schicken, woran Arigund Zweifel hegte. Der jungen Frau selbst hatte man bereits das einfache Gewand einer Büßerin angelegt. Das Gesinde, ihr einst freundlich zugetan, verfolgte ihre Abreise mit finsteren Blicken. Ganz offensichtlich hatte Pater Anselm oder die Ritterschaft ganze Arbeit geleistet und das Gerücht verbreitet, Arigund habe Luise auf dem Gewissen. Was sollten die Leute auch sonst glauben? Die alte Resl konnte nicht mehr für Arigund sprechen. Wie Wirtho wohl deren Tod durch sein Schwert begründet hatte? Vermutlich hatte er sie einfach verschwinden lassen, damit niemand diesbezüglich Fragen stellen konnte. Begleitet von einem alten Ritter, den Arigund als engsten Berater des verstorbenen Truchsess kennengelernt hatte, und dessen Knappen, holperte das unbequeme Gefährt vom Hof. Die Kaufmannstochter sah sich nicht mehr um, doch ihr war, als brannten Wirthos triumphierende Blicke in ihrem Nacken.
Arigund mobilisierte ihre gesamte Kraft, nicht zurückzuschauen, nicht den Leuten zuzurufen, dass sie sich vor der Bestie, die nun ihr Herr sein würde, in Acht nehmen sollten. Ehe sie es sich noch anders überlegen konnte, schlossen sich die Burgtore knarrend und fielen mit dumpfem Donnern ins Schloss. Ein tiefer Seufzer entglitt der Kaufmannstochter. Mit zornigen Augen sah der Kutscher, ein junger, kräftiger Bursche mit rabenschwarzem Haar, sie von der Seite an, wandte jedoch rasch den Kopf ab, als sich ihre Blicke trafen. Irgendwie erinnerten sie seine Gesichtszüge an den verstorbenen Truchsess. Vermutlich ein weiterer selbstgemachter Höriger. Wer wohl seine Mutter war? Inzwischen verstand Arigund, warum ihr Vater peinlich darauf bedacht war, dass keine lebenden Beweise seiner männlichen Bedürfnisse in der Wahlenstraße lebten. Es brachte Unfrieden, wenn legitime und illegitime Kinder eines Herrn nebeneinander lebten. Die rechtlosen »Bankerten« fühlten sich ständig zurückgesetzt. Sie mussten mitansehen, wie ihre Halbgeschwister all jene Privilegien genossen, die ihnen immer versagt bleiben würden, bloß weil ihre Mutter einem anderen Stand angehörte. Der Kutscher jedenfalls schien sich angesichts seines Schicksals gewaltig zu grämen, denn er blickte derart finster drein, dass es zum Fürchten war. Der Ritter, der trotz seines fortgeschrittenen Alters würdevoll und aufrecht im Sattel saß, machte keinen viel freundlicheren Eindruck. Arigund den Rücken zugewandt, ritt er stumm voran, die Hand stets in der Nähe des Schwertes. Der Knappe stammte aus einem unbedeutenden Haus, das seine Burg weit weg im Niederbayrischen hatte. Er diente noch nicht lange auf Brennberg. Arigund kannte nicht einmal seinen Namen. Der Knabe schien nicht weniger verängstigt wie Arigund und kaute nervös an seinen Fingernägeln. Der kleine Trupp hatte die letzten Häuser gerade hinter sich gelassen und war in den Wald eingebogen, da beobachtete sie, wie ihr Begleiter den Schwertgurt öffnete und seine Waffe zog. Der jungen Frau wurde bang. Sollte Wirtho seinem Vasallen befohlen haben, sie gleich hier umzubringen? Zuzutrauen war es ihm. Auch der Kutscher sah beunruhigt drein, hielt jedoch das Gespann nicht an. Aufmerksam durchforschte der Bewaffnete das Gebüsch. Das Schwert hatte er quer über den Sattel gelegt. Er trieb sein Pferd dichter an den Wagen heran. Eine Weile hielt er es auf gleicher Höhe, ohne ein Wort zu sagen, musterte sie jedoch eindringlich. Sie erreichten eine kleine Lichtung. Warme Sonnenstrahlen brachten den Tau auf dem Gras zum Funkeln.
»Kutscher, halt an!«, befahl der Ritter. »Mich dünkt, der eine Gaul geht lahm.«
Der Mann tat, wie ihm
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