Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
deutete zu dem Wachknecht vor der offenen Tür. Als Arigund sich nach Resl erkundigte, brach die Magd in Tränen aus und stürmte heraus. Auch Frau Kunigund kam nicht mehr an ihr Krankenbett. Der Einzige, der ihr Zimmer betreten durfte, war Pater Anselm, doch auch er war verschwiegen und lediglich bereit, Gebete mit ihr zu sprechen. Seine an sich schon verhärmten Gesichtszüge waren von neuen, tiefen Falten durchzogen und seine Gesichtsfarbe noch fahler als sonst. Er bot der jungen Frau an, ihr die Beichte abzunehmen, Arigund aber schüttelte nur den Kopf. Noch sah sie sich nicht in der Lage, über ihre Erlebnisse zu sprechen.
Der Pater faltete die Hände und atmete tief durch: »Arigund, könnt Ihr Euch noch an unser Gespräch an Eurem Hochzeitstag erinnern?«, fragte er streng.
»Gewiss, Vater, und Ihr wisst, an mir hat es damals nicht gelegen.«
Der Pater schlug für einen Moment die Augen nieder. Er wusste mittlerweile, wer sein Eingreifen verhindert hatte. Und was war daraus entstanden? Unglück, Leid, Tragödien. So war das, wenn man sich dem Willen des Herrn widersetzte. Er strafte hart und gerecht.
»Nun, Herr Wirtho wäre willens, auf eine öffentliche Gerichtsverhandlung gegen Euch zu verzichten, wenn Ihr den Schleier nehmt und einer Scheidung zustimmt.«
Erstaunt sah Arigund zu dem Priester auf. »Verfahren gegen mich? Doch wohl eher gegen ihn selbst?«
Die Mimik des Kaplans verfinsterte sich: »Der Herr Wirtho ahnte bereits, dass Ihr Euch Lügen ausdenken und ihn beschuldigen würdet. Wie schade, ich hatte Euch mehr Rückgrat zugetraut. Denkt doch, welche Schande es über Euch und Eure Familie brächte, wenn man Euch als Ehebrecherin bezeichnete. Ihr könntet dem entgehen.«
Empört fuhr Arigund hoch. »Ich soll was getan haben?«
Der Pater hob gebieterisch die Hand und schleuderte ihr seine Vorwürfe entgegen: »Mäßigt Euch, Arigund! Eure Lügen helfen Euch nicht mehr, sah ich Euch doch selbst in sündiger Umarmung mit dem Bruder Eures Gatten. Was für ein schändliches Treiben! Buße solltet Ihr tun und dem Herrn dafür danken, dass Euer geschätzter Gatte Euch nicht an den Schandpfahl binden lässt. Wie konntet Ihr nur! Und Euch dann auch noch an der armen Luise zu vergreifen. Zu Tode gequält habt Ihr sie, nur weil sie dem Herrn von Eurem schändlichen Tun berichten wollte.«
Er spuckte heftig vor ihr aus. Totenblass sank Arigund auf ihr Lager zurück und flüsterte: »Das ist, was man mir vorwirft?«
»So lautet die Anklage.«
»Und Reimar? Was sagt der?«
»Ich bin nicht befugt, Euch darüber Auskunft zu geben, aber es ist doch allgemein bekannt, dass Ihr schon vor Eurer Hochzeit mit ihm herumgeturtelt habt, elende Verführerin.«
Die junge Frau schloss die Augen. Warum sagte der Priester so etwas? Er musste doch wissen, dass das alles Lügen waren. Was hatte sie ihm getan? Und Reimar? War er beteiligt an der Intrige gegen sie? Es sah ganz danach aus. Aber dann hatte Wirtho ihn nicht erschlagen. Dann musste er noch leben! Die Gedanken rasten blitzschnell durch Arigunds Kopf, wirbelten durcheinander wir Schneeflocken in einem Sturm und klärten sich mit einem Schlag. Nein, sie kannte Reimar. Niemals würde der solche Lügen über sie verbreiten. So etwas war lediglich Wirtho zuzutrauen. Die Behauptung, Reimar habe mit ihr Unzucht getrieben, war eine List, eine böswillige Intrige, mit der er sie loswerden und vor den Menschen auf Brennberg schlechtmachen wollte. Reimar war tot, erschlagen von seinem eigenen Bruder, und ihre Zukunft war mit ihm und seinem Vater gestorben. Wirtho würde sie niemals in Frieden lassen, schon gar nicht jetzt, wo sie sein Geheimnis kannte.
Während Arigund gedankenversunken aus dem Fenster blickte, lugte der Pater verstohlen durch die halboffene Tür auf den schummrigen Flur, in dem sich Wirthos Gestalt abzeichnete. Der Ritter nickte dem Burgkaplan zu.
»Ich weiß, dass auch der junge Reimar in seiner Unschuld Euch süße Worte geschenkt hat«, säuselte der Burgkaplan nun mit sanfter Stimme. »Aber das war nur Minne. Ihr hättet Euren lästerlichen Gedanken nicht nachgeben dürfen, mein Kind.«
Alles drehte sich um Arigund. Ihr war plötzlich übel. Sie wollte nur noch allein sein. Mit erstickter Stimme erklärte sie: »Richtet meinem Gatten aus, dass ich Euren Vorschlag annehmen und so bald wie möglich nach Regensburg abreisen möchte, um dort ins Kanonissenstift einzutreten.«
Der Priester nickte erleichtert. »Ich wusste, dass unser Herr Euch den
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