Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
halte es für gefährlich, dem König dauerhaft so nahe zu sein«, konterte Arigund. »Seine Gunst ist schwer zu erlangen und rasch zu verlieren.«
»Gibt’s einen Regenten, bei dem das anders ist?«, spielte Heinrich den Einwand herunter.
»Da kann ich nicht mitreden.«
»Ach, Tassilo, kommt schon.«
Heinrich kitzelte sie mit einer Feder an der Stirn und setzte sein unglaubliches Lächeln auf. Arigund entzog sich dem verlockenden Blau seiner Augen. »Ihr werdet Wien lieben. Ich kenne keine schönere Stadt.«
»Habt Ihr dieses Loblied nicht auch über Prag gesungen?«
»Und habe ich etwas Falsches versprochen? Prag hat uns Glück gebracht.«
»Und das sollte man nicht versuchen, denn es ist trügerisch.«
»Benehmt Euch nicht wie ein zahnloses Weib! Wo ist die Abenteuerlust geblieben, die ich so sehr an Euch schätze?«
Heinrich zwinkerte ihr verschmitzt zu. »Überhaupt haben wir sowieso nicht viel zu bestimmen. Im Grunde heißt es: Mit dem König nach Wien, oder wir müssen uns trollen und woanders ein warmes Plätzchen suchen.«
»Ich wäre für das andere warme Plätzchen«, maulte Arigund.
Heinrich stutzte und musterte sie intensiv. Arigund wich seinem Blick aus. »Was ist los?«, fragte er besorgt.
Arigund schüttelte den Kopf. Er würde es sowieso nicht verstehen, denn er war ein freier Mann. Ihr aber klangen Vaclavs Worte noch allzu gut in ihren Ohren: »Wenn man sich verbergen möchte, sollte man nicht so viel Aufhebens um die eigene Person machen.« Die Folgen ihres Fehlers waren ihr Mahnung genug.
»Habt Ihr eigentlich schon Nachricht aus Regensburg?«, meinte sie an Heinrich gewandt.
Der Ritter wurde ernst. »Ist es das, was Euch Sorgen bereitet, dass wir den Boten verpassen könnten? Ich habe einen äußerst zuverlässigen Mann ausgewählt und erwarte ihn jeden Tag. Doch selbst wenn er erst nach unserer Abreise eintrifft, wird er uns folgen. Er hat den Auftrag, nur mir persönlich Bericht zu erstatten. Ihr braucht Euch also keine Gedanken zu machen.«
»Was, wenn er abgefangen wurde? Was, wenn Wirtho erfährt, dass Arigund noch lebt?«
»Dann gäbe es ein Grund mehr, nach Wien zu gehen.«
»Hat das Schicksal ein solches Leben für mich auserkoren, Heinrich? Werde ich niemals mehr ein Zuhause haben, einen Ort, von dem man mich nicht wieder vertreibt, einen Platz, an dem ich mich sicher fühlen kann?«
Arigund kämpfte mit den Tränen. Der Ritter sah sie mitleidig an. In den letzten Wochen hatte er beinahe vergessen, dass »Tassilo« nur ihre Maske war. In Wirklichkeit aber war er, Heinrich, der Wandervogel. Sie dagegen sehnte sich nach einem gemütlichen Nest, so wie die meisten Frauen.
*
Der Bote traf nicht ein. Den beiden Sängern blieb daher nichts anderes übrig, als auszurichten, man möge Schreiben und Boten nach Wien weiterschicken. Arigund war sich nicht sicher, ob man diesem Wunsch entsprechen würde, denn der Hof war in großer Unruhe. Die Königin litt unter dieser Schwangerschaft wie unter keiner zuvor. Sie bekam immer wieder vorzeitige Wehen, sodass die Amme mahnte, die hohe Herrin würde die Sicherheit des Kindes gefährden, wenn sie jetzt eine Reise anträte. Widerwillig gab der König nach und gestattete seiner Gattin, in Prag zu bleiben. An ihrer Stelle sollte ihn Kunigunde begleiten. Nach der hoffentlich glücklichen Geburt des Kindes würden Tauben geschickt werden, damit die Nachricht rasch bei Hofe einträfe und gebührend gefeiert werden konnte.
Endlich stand der Tag des Aufbruchs fest, und es hätte kein schönerer sein können. Die Maisonne strahlte mit aller Kraft. Hunderte von Schwalben hatten sich auf den Burgzinnen versammelt und kommentierten schnalzend und zwitschernd das bunte Treiben auf dem Burghof.
Der König hatte allen Männern neue Gewänder und allen Pferden neue Schabracken mit dem Königswappen schneidern lassen. Arigund und Heinrich steckten mitten im Gewimmel. Den beiden Sängern war ein Wams aus weichem Hirschleder überreicht worden und zwei Mäntel, die ebenfalls mit dem Zeichen des Königs versehen waren. Damit gehörten sie offiziell zu seinem Gefolge. Als Arigund ihr Maultier frisch beschlagen und reisefertig machen ließ, schlug der königliche Stallmeister die Hände über dem Kopf zusammen. Hoch aufgerichtet platzierte er sich zwischen Arigund und Marron und meinte, nach Ansicht des Königs würden nur Pfaffen und Frauen Söhne eines Esels besteigen. Männer seines Gefolges ritten gefälligst auf Pferden. Daraufhin ließ er für
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