Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
bei Ottokar in Ungnade gefallen«, erzählte ihr Vater weiter, »und wird mit Konsequenzen rechnen müssen, falls er den Kampf überlebt. Was für ein charakterloser Mensch er doch ist, achtet weder Burgfrieden noch königliche Boten! Keinesfalls kehrst du zu ihm zurück. Ich habe bereits alles veranlasst. Wenn es für dich gut ausgeht, erwartet deine Schwiegermutter dich sehnsüchtig in Eichstätt. Wenn nicht, nun, ich denke, Reimar hat dich bereits eingeweiht. Jedenfalls musst du dir keine Gedanken machen, Kind. Reimar und ich sorgen für deine Sicherheit.«
Kalte Wut keimte in Arigund auf. Glaubte ihr Vater tatsächlich, er könnte immer noch über sie bestimmen? Vollkommen davon überzeugt, sie würde sich erleichtert fügen, tätschelte er wohlwollend ihre Hand und murmelte:
»Was für eine Schande, dass du das Kind verloren hast, Arigund. Stell dir vor, da säße jetzt mein Enkel, der zukünftige Truchsess von Brennberg. Ein schöner Gedanke, nicht wahr?«
Arigund zuckte zusammen. Genug war genug. DeCapella war zwar ihr Vater, und allein darum gebührte ihm Respekt, aber ihr Leben würde sie ab jetzt selbst in die Hand nehmen. Die junge Frau erhob sich.
»Verzeih mir, Vater, ich bin müde und würde gerne ein wenig ruhen«, meinte sie mit unterdrücktem Zorn in der Stimme.
»Oh ja, sicher, mia cara, sicher, wir können ja später weiterreden«, entschuldigte sich DeCapella beinahe. »Übrigens, die besten Wünsche von Katharina. Sie war über deine Rettung sehr erleichtert. Habe ich dir erzählt, dass sie mir endlich einen Sohn geboren hat? Antonio. Er entwickelt sich prächtig.«
Entschlossen öffnete Arigund die Tür für den Kaufmann. »Ich beglückwünsche euch beide und freue mich mit euch«, sagte sie lapidar. Noch einmal umarmte sie der Kaufmann, dann ließ er sie allein. Erleichtert sank Arigund auf ihr Bett. Wie hatte sie erwarten können, dass ihr Vater sich geändert hatte? Alles war genau wie früher, nur sie selbst nicht. Wie teuer war dem Handelshaus DeCapella der »königliche Schutz« wohl gekommen? Zumindest ein üppiges »Kostgeld« hatte der Herrscher zweifellos gefordert. Merkwürdigerweise hatte Arigund überhaupt kein schlechtes Gewissen, dass ihr Vater für sie aufkommen musste. Was beglich er denn mehr als eine Schuld, die er selbst verursacht hatte?
*
Heinrich übte sich fast jede freie Minute im Tjost, bis ihm vor Erschöpfung Lanze und Schwert aus den Händen fielen. König Ottokar stellte ihm seinen Waffenmeister zur Verfügung, einen alten Veteranen, der an der Seite seines Königs schon so manche Schlacht geschlagen hatte. Knurrig kritisierte er jeden Fehler in der Deckung und jede entgangene Gelegenheit, den Gegner zu besiegen.
»Ihr seid tot!«, rief er dann jedes Mal erbost, so als würde er Heinrichs Versagen persönlich nehmen.
Auch Reimar, der Wirthos Kampfstil ja am besten kannte, stand mit Rat und Tat zur Seite. Anfangs war der Brennberger ein wenig empfindlich gewesen, wenn Heinrich von seinen Erlebnissen mit Arigund berichtete, doch das hatte sich schnell gelegt, nachdem sein Freund versicherte, Arigund habe stets nur von ihrer Liebe zu Reimar gesprochen und Heinrich nicht einmal ein Lächeln geschenkt. Rasch verwandelten sich die kleinen Eifersüchteleien in tiefe Dankbarkeit. Reimar entwarf sogar eine Ballade über Heinrichs Heldentaten im Kampf gegen den Räuber Vaclav. Dennoch wollte sich die alte, unbekümmerte Freundschaft nicht wieder einstellen. Heinrich gab sich einsilbig und zog sich immer mehr zurück. Reimar schob das Ganze auf den anstehenden Kampf, bei dem es schließlich nicht nur um die Ehre, sondern um Tod oder Leben ging.
Heinrich und Arigund gingen sich aus dem Weg, und so konnten sie kein einziges vertrauliches Wort miteinander wechseln, bis ihnen der König endlich die Nachricht zukommen ließ, der Kampf würde zur Mittagsstunde des zwanzigsten Septembers stattfinden.
»Nur noch zwei Tage!«, rief Reimar überrascht. »Ich muss Vorbereitungen treffen …«
Arigund bedachte ihn mit eisernem Blick. »Denkt an unsere Abmachung, Herr Ritter!«, mahnte sie.
»Gewiss, aber falls Ihr es Euch doch noch anders überlegt, möchte ich zu Diensten sein können.«
Unwirsch hob die junge Frau ihre Hand. »Ich stehe zu meinem Wort.«
Kleinlaut gab Reimar nach, jedoch hatte Arigund das untrügliche Gefühl, er würde trotzdem tun, was er für richtig hielt. Sie wandte sich Heinrich zu: »Noch könnt Ihr zurücktreten, Herr Heinrich. Ihr wisst, niemand
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