Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
besitzen drei gute Gespanne.«
»Du konntest deine Mitgift aus Brennberg retten?«
»Ich verbarg sie in jener Höhle unter dem Geröll.«
»Dem Himmel sei Dank, dass ihr entkommen konntet. Doch verrate mir noch, dein Kind, ist es wohlauf?«
»Die kleine Arigund entwickelt sich prächtig. Sie gebärdet sich zuweilen ein wenig wild, aber das hat sie wohl von ihrem Vater.«
»Wie gerne hätte der alte Truchsess seine Tochter in den Armen gehalten«, bedauerte Arigund. »Er hat dich sehr geschätzt, weißt du.«
Annelies sah die Kaufmannstochter für einen Moment durchdringend an, antwortete jedoch nicht. Seite an Seite erreichten sie Arigunds Zimmer im Turm, und genau wie früher nahm die Tochter des Kaufmanns auf einem Schemel Platz. Annelies begann, sich an ihrem Haar zu schaffen zu machen. Eine Weile wirkte es, als wäre kein Tag vergangen seit damals in Regensburg.
Draußen regte sich langsam das Leben. Viele Edelmänner, die eigentlich nur des Festes und der Politik wegen angereist waren, hatten sich entschlossen zu bleiben, um dem Ehrenhändel beizuwohnen. Er sollte auf einem eigens eingerichteten »Stechplatz« mitten in Wien ausgetragen werden.
»Ich bin froh, dass du gekommen bist, Annelies«, flüsterte Arigund unvermittelt. »Ich habe dich so sehr vermisst. Aber ich freue mich auch, dass du nun dein eigenes Leben hast.«
Die Zofe ergriff die Hände ihrer Herrin. Ihre Stimme klang fest, als sie antwortete: »Und wir werden uns noch viele Male begegnen, Herrin. Seid gewiss.«
»Wirtho hat so manches Turnier bestritten und gewonnen«, merkte Arigund skeptisch an.
»Das war, bevor er sich das Gehirn weggesoffen hat. Schaut ihn Euch doch nur an.«
Arigund senkte den Blick. »Der Alkohol hat ihn stets nur noch gefährlicher gemacht. Zudem ist Herr Heinrich eher ein Schwertkämpfer. Die Lanze liegt ihm nicht.«
»Seid guten Mutes, Herrin Arigund. Herr Heinrich kann getrost gegen Wirtho reiten, es wird ihm nichts geschehen.«
Arigund erschrak.
»Was meinst du damit?«
Annelies’ Miene blieb verschlossen. Mit einer Stimme, die Arigund gar nicht kannte, sagte sie: »Auch Matthias und ich haben eine Rechnung offen mit Wirtho von Brennberg.«
Was hatten die beiden vor? Riskierten sie etwa ihr Leben für eine Manipulation des Kampfes? Das durfte sie nicht zulassen.
»Annelies, um Himmels willen, wenn Wirtho Matthias zu Gesicht bekommt, dann wird er keinen Moment zögern, ihn gefangen nehmen zu lassen.«
Die Zofe lächelte überlegen. »Das kann er nicht, denn Matthias ist nicht länger sein Leibeigener, sondern ein freier Bürger.«
»Was Wirtho nicht davon abhalten wird, ihm den Schädel zu spalten«, gab Arigund zu bedenken.
»Wir werden sehen, Herrin. Doch nun müsst Ihr gehen. Gott beschütze Euch und Euren tapferen Ritter.«
*
Es herrschte ein derart dichtes Gedränge auf dem Markplatz, dass selbst die Leibgarde des Königs Mühe hatte, eine Gasse durch die Menge zu bahnen. Arigund und Reimar durften zwar in seinem Gefolge zum Marktplatz reiten, mussten dann jedoch in einem abgetrennten, von vier Wachknechten gesäumten Bereich gegenüber der königlichen Loge Platz nehmen. Reimars Augen leuchteten. Für ihn war das alles ein aufregendes Abenteuer, so sicher war er sich, dass Heinrich als Sieger aus diesem Kampf hervorgehen würde. Fest nahm er Arigunds Hand und lächelte sie an. Sie jedoch entzog sich ihm und sah hinüber zum König. Ihr Blick fing dabei den der kleinen Kunigunde auf. Einen Augenblick schien das Kind Arigund verwirrt zu mustern, denn heute sah sie ihren ehemaligen »Spielmann« zum ersten Mal in Frauenkleidern, dann jedoch zeichnete sich ein Lächeln auf dem königlichen Antlitz ab. Erleichtert atmete Arigund auf. Kunigunde schien ihr verziehen zu haben und vielleicht würde sie sie eines Tages sogar verstehen.
*
Heinrichs Herz klopfte wie wild, als er hilflos am Haken eines Seils über dem Pferd hing. Matthias, der rothaarige Bursche mit Händen wie Wagenrädern, ächzte im Takt mit dem Gebälk, während er den Ritter in den hochwandigen Sattel des Braunen gleiten ließ. Heinrich rang nach Luft. Er hasste diese Prozedur, die ihm jedes Mal den Atem verschlug. Seine Brust hob und senkte sich unter dem schweren Kettenhemd, einem Geschenk des Königs, der ihm damit noch einmal unmissverständlich klargemacht hatte, dass der Minnesänger nicht nur für die Ehre Arigunds in die Schranken ritt, sondern auch gegen einen dreisten Barbar, der es gewagt hatte, die Hand gegen ein
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