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Die Wanifen

Die Wanifen

Titel: Die Wanifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Anour
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Abfall keine Aufmerksamkeit, Andra«, sagte der blonde Lulatsch, der neben ihr kniete. »Das sind sie nicht wert.«
    Der Lulatsch maß Kmaun mit einem so hasserfüllten Blick, dass der Krieger lächeln musste. Eine breite Schramme spannte sich über seiner Brust. Wer immer gegen den gekämpft hatte, hätte seine Arbeit besser gründlicher machen sollen. Dieser Kerl hatte drei Tráuna getötet, bevor man ihn niedergerungen hatte. Seiner Meinung nach hätte man ihn gleich töten müssen. Er war zu widerspenstig. Aus dem würde nie ein guter Sklave werden.
    »Sie sind hier«, raunte ihm ein weiterer Krieger ins Ohr. »Zeig ihnen die Gefangenen.« Kmaun wandte sich um. Zwei Gestalten näherten sich ihnen vom Waldrand her, ein Junge und ein Mädchen, die sich zum Verwechseln ähnlich sahen. Sie trugen nicht die dicken Fellmäntel der Krieger, sondern nur leichte Sommerkleidung, geradeso, als spürten sie die Kälte nicht. Aber das war nicht das Einzige, was die beiden von den Kriegern unterschied: Sie trugen keine Speere bei sich, nur zwei schlanke Stäbe. Kmauns Blick saugte sich für einen Augenblick an dem grünen Buchenlaub an der Spitze des einen Stabs fest. Mitten im Winter? Er lächelte und schüttelte den Kopf. Bei Weitem nicht das Ungewöhnlichste, was er in der Nähe dieser beiden erlebt hatte.
    Als sie aus dem Schatten des Waldes hervortraten, fiel Sonnenlicht auf ihr schwarzes Haar – ein weiteres Merkmal, das sie unter den hellhaarigen Tráuna hervorstechen ließ. Kmaun hatte gelernt, vorsichtig zu sein, wenn er ihre schwarzen Schöpfe auftauchen sah.
    Von Gmund und Gerla, ließ man ihre besonderen Kräfte beiseite, blieb nicht mehr übrig als zwei rotzige Gören. Vor wenigen Wochen noch waren sie ihrem Volk als dessen Wanifen nicht von besonderem Nutzen gewesen. Während Gmund die Sorgen der Leute belächelte und sich sonst nicht weiter um sie kümmerte, entwickelte Gerla mit der Zeit besonderen Gefallen daran, die Menschen mithilfe ihrer Kräfte zu erschrecken – manchmal mit unschönen Folgen.
    Der alte Häuptling hatte die beiden mehrmals in ihre Schranken gewiesen, worauf sie unverhohlen ihre Abneigung gegen ihn gezeigt hatten.
    Kürzlich hatten die Dinge sich plötzlich geändert oder besser gesagt, Gmund und Gerla hatten sie geändert. Sie vergifteten den alten Häuptling und forderten die Führung über den Stamm. Niemand wollte sich diesen überheblichen Gören zuerst beugen, deshalb nutzten sie ihre Hexenkräfte und riefen den Zorn der Geister auf die Tráuna herab. Plötzlich wurden die, die sich gegen sie gestellt hatten, von unsichtbaren Mächten verletzt. Die, die sich daraufhin nicht gleich unterwarfen, wagten es nicht mehr zu schlafen, weil sie plötzlich von abscheulichen Albträumen heimgesucht wurden. Sie blieben so lange wach, bis sie dem Wahnsinn verfielen und ins Wasser gingen.
    Am Ende war niemand mehr übrig, der die Herrschaft der beiden anzweifelte, und einige, Kmaun eingeschlossen, begrüßten die Veränderungen, die seither passiert waren. So verabscheuenswert Gmund und Gerla waren, sie wussten, wie man die Dinge richtig anpackte. Seit wie vielen Menschenaltern fristeten die Tráuna ihr Leben in dem wilden Land an den Ufern ihres Sees? Wie beschwerlich war dort das Jagen, an den steilen Berghängen, im Dickicht des Urwalds, während die Ata, der alte Feind, nur darauf warten mussten, dass die großen Wisentherden im Frühling in ihr Revier zogen und im Überfluss lebten.
    Kmaun schnaubte verächtlich. Ihr Reichtum hatte sie weichgemacht. Die Ata hatten längst vergessen, was Krieg bedeutete. Die Tráuna dagegen waren es gewohnt, jeden Tag ums Überleben zu kämpfen, deshalb waren sie den Ata überlegen.
    »Habt ihr die Ratten aus ihren Löchern getrieben?«
    Kmaun zuckte zusammen und wich einen Schritt zurück.
    Gmund musterte ihn herablassend, während Gerla die gefangenen Ata mit weit aufgerissenen Augen anstierte.
    Beide hatten sie schwarze Augen, aber Gmunds Gesicht wirkte runder als Gerlas, weicher, mit einer kleineren Nase. Gerlas Gesicht war so spitz, es erinnerte Kmaun manchmal an einen Fuchs.
    Er senkte sicherheitshalber den Blick. Er wollte die beiden nicht länger als nötig anstarren. Es wäre sehr unklug, sie zu provozieren.
    »Wir haben sie alle auf ihrer Dorfwiese zusammengetrieben, wie ihr befohlen habt.«
    Gmund legte einen blassen Finger auf Kmauns Kinn und zwang ihn, ihn anzusehen. Kmaun erschauderte unter Gmunds Berührung. Er war sich nicht sicher, wie weit

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