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Die Wanifen

Die Wanifen

Titel: Die Wanifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Anour
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Miene.
    »Ohne die Macht von Ata«, flüsterte er, »ist dein Volk verloren.«
    »Nicht, wenn du mir hilfst. Gemeinsam könnten wir es schaffen. Du bist ein viel erfahrenerer Wanife als ich.«
    »Nein!« Rainelf schüttelte heftig den Kopf. »Nein. Es sind deine Leute, nicht meine. Ich schulde dir nichts.«
    »Warum bist du dann hier? Was machst du dann hier, wenn es dir egal ist?«
    »Ich dachte, dir wäre es nicht egal«, meinte er mit vorgerecktem Kinn.
    »Blödsinn«, rief ich zornig. »Du bist hier, weil du mir helfen wolltest. Also hilf mir! Hilf mir, sie zu retten. Ich brauche dich!«
    »Du hast keine Ahnung«, zischte Rainelf und kam mit raschem Schritt auf mich zu. Seine Augen brannten wie kaltes Feuer. Der Percht grollte bedrohlich und streckte Rainelf seine Zunge entgegen. Seine verkrampfte Miene näherte sich meinem Gesicht, als er sich vorbeugte.
    »Ich helfe ihnen nicht«, knurrte er. Seine Stimme bebte. »Keiner von denen hat meine Hilfe verdient. Keiner von denen wäre gekommen, um mich zu retten!«
    Er verschwand. Von einem Augenblick zum anderen war er einfach weg, ohne auf einen Wechselstein geschlagen zu haben.
    »Rainelf, du Feigling«, schrie ich. Mein Ruf wurde tausendfach von den Felswänden zurückgeworfen. »Komm zurück!«
    Kauket hatte recht gehabt. Rainelf musste ein wirklich hervorragender Wandler sein. Ich zitterte vor Wut. Was sollte ich jetzt tun? Kauket war außer Reichweite. Er hatte mir zwar viele Geheimnisse der Geisterwelt nahegebracht, aber was nutzten die mir jetzt gegen eine Horde Tráunakrieger? Außerhalb der Kraftplätze konnte ich überhaupt nichts ausrichten. Ich war doch keine Kriegerin – nicht einmal eine Jägerin.
    Danke, Rainelf. Vielen Dank, dass du mir erzählt hast, dass meine Leute krepieren und dann haust du ab.
    Was sollte ich jetzt tun? Ja, ich wusste, einige Ata hatten mir das Leben zur Hölle gemacht, aber ich konnte sie doch nicht einfach ihrem Schicksal überlassen.
    Ich fluchte. Wieso jetzt? Wieso nicht morgen oder vor einer Woche … irgendwann, wenn Kauket hier gewesen wäre?
    Was für eine Ironie! Mein Seelengeist gehörte zu den mächtigsten Geistern im ganzen Seenland und jetzt, wo ich ihn zum ersten Mal brauchte, konnte ich ihn nicht einmal zu Hilfe rufen. Ein ganzes Dorf hatte gebebt, ohne dass ich irgendetwas getan hatte. Ich hatte meinen Bruder von den Toten zurückgeholt und eine Wisentherde aufgehalten, die mich sonst zertrampelt hätte. Verdammt, wo war Ata?
    Aber selbst wenn er bei mir wäre, würde ich es wirklich wagen, ihn zu rufen? Kauket hatte mich so eindringlich davor gewarnt. Die Konsequenzen würden verheerend sein, vielleicht würde es sogar mein Leben fordern.
    Warum machte ich mir überhaupt Gedanken darüber? Was ich jetzt brauchte, war ein Plan – und zwar schnell.
    Nun … ich könnte mich anschleichen, vielleicht ein oder zwei Tráuna mit dem Bogen zur Strecke bringen … Vielleicht würde das so große Verwirrung stiften, dass die restlichen Ata entkommen konnten – oder wenigstens ein paar.
    Wieso hatte Rainelf mir nicht gesagt, wie viele Tráuna es waren, wie sie bewaffnet waren? Verdammt, ich verstand doch überhaupt nichts von solchen Dingen.
    Gut … Ich würde es versuchen. Was blieb mir anderes übrig? Ich durfte nicht auf Kauket warten. Wenn es schiefging, würde er es vielleicht schaffen, den Ata zu helfen.
    Mein Blick fiel auf den Eingang zur Klamm, durch den das schäumende Wasser des Weyta hindurchschoss. Ich seufzte. Es sah schon von Weitem so kalt aus.
     
    Der Weg zurück nach Ataheim ließ mir keine Möglichkeit, mir einen besseren Plan auszudenken, so beschwerlich war er. Als ich die Klamm hinter mir gelassen hatte, war ich so unterkühlt, dass an ein Weitergehen vorerst nicht zu denken war. Ich zitterte so heftig, dass es mir kaum gelang, Funken aus meinem Feuerstein zu schlagen und die Birkenrinde, die ich zusammengetragen hatte, zu entzünden. Es dauerte lange und schmerzte, bis pochende Wärme in meine Glieder zurückkehrte. Meine Hose war bis über die Knie vom eisigen Wasser des Weyta durchnässt.
    Sobald ich mich einigermaßen aufgewärmt hatte, zündete ich eine Fackel an und machte mich wieder auf den Weg. Ich wagte nicht, an die ausgehungerten Raubtiere zu denken, die sich zu dieser Jahreszeit auf alles stürzen würden, das wie leichte Beute aussah – sprich mich. Dummerweise hatte ich meine Schneeschuhe im Wanifenhaus gelassen, schließlich hatte ich ja nicht damit rechnen können,

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