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Die Wanifen

Die Wanifen

Titel: Die Wanifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Anour
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lachen?«, fragte ich wütend.
    Der Tatzelwurm seufzte.
    »Menschlein. Menschlein«, meinte er tadelnd. »Ata würde dich in Stücke reißen, wenn du dich ihm näherst. Du selbst hast das Band zwischen euch zerrissen … nur ein einzelner, feiner Faden, kaum wahrnehmbar für mich, verbleibt. Nie zuvor hat der große Ata sich einen Wanifen erwählt. Zum ersten Mal in seinem unsterblichen Leben fühlte er Zuneigung für ein anderes Wesen. Und du, gerade du, die dieses Geschenk aufgegeben hat, kommst in meine Höhle und gibst vor, meinen Schmerz zu verstehen?«
    Der Tatzelwurm kicherte.
    »Ata verkörpert die geballte Macht der Schöpfung – und du hast dieses Wesen gelehrt, was Schmerz bedeutet.«
    »Ich bereue es«, flüsterte ich. »Ich wusste damals nicht … Nein, ich will mich nicht mehr rechtfertigen. Es muss einfach etwas geben, das ich tun kann.«
    Der Tatzelwurm neigte sein gewaltiges Haupt zur Seite.
    »Es gibt etwas.«
    Ich war mir nicht sicher, aber ich meinte, ein Grinsen auf seiner furchterregenden Fratze zu erkennen. »Es wird dir aber nicht gefallen, Menschlein … Du musst zurückkehren, zu dem Augenblick, als Ata dich unter allen anderen erwählt hat – erst dann wird das Band zwischen euch erneuert.«
    »Wie soll ich das anstellen?«
    Der Tatzelwurm betrachtete mich ernst.
    »Indem du stirbst.«
    »Sterben?«, flüsterte ich. »Aber wie kann sich das Band zwischen uns erneuern, wenn ich tot bin?«
    Der Tatzelwurm knurrte. »Strapazier nicht meine Geduld!«
    »I–in Ordnung. Ich denke, ich werd’s schon irgendwie herausfinden.«
    Der Tatzelwurm hob für einen Moment den Kopf, geradeso, als würde er lauschen.
    »Lass mich dir nun eine Frage stellen, Menschlein«, meinte er und beugte sein Haupt wieder zu mir herunter. »Wer hat dich in diese Höhle begleitet?«
    »Begleitet?«
    Ich wollte dem Tatzelwurm nicht von Rainelf erzählen und ihn damit womöglich in Gefahr bringen, aber ich war überzeugt, er wusste längst von seiner Anwesenheit.
    »Rainelf. Er … er ist ein Freund. Er ist nicht bis hierher mitgekommen, um dich nicht wütend zu machen.«
    »Hm«, grollte der Tatzelwurm. »Auf gewisse Weise ist dein Schneelöckchen genauso faszinierend wie du … Erzähl mir von ihm.«
    »Versprich mir zuerst, ihm nichts zu tun«, forderte ich.
    »Ahhh … wieder dieses Aufbegehren. Ein Herz, das Atas würdig ist.« Der Tatzelwurm kicherte erneut.
    »Hier hast du mein Versprechen. Was brauche ich ihn, wenn ich Atas köstliches Kind in meiner Gewalt habe?«
    Mir liefen kalte Schauder den Rücken hinunter. Ich konnte nicht sagen, ob der Tatzelwurm mir wirklich etwas antun würde, oder ob es ihm nur Spaß machte, mich zu ängstigen.
    »Er ist der Wanife der Abira, aber er lebt nicht bei seinem Volk. Er ist … allein.«
    Der Tatzelwurm seufzte und schüttelte sein Haupt.
    »Menschenherzen sind so voller Lüge«, zischte er. »Sogar du hast längst begriffen, dass er dir nicht die Wahrheit sagt.«
    »Woher willst du das wissen?«, fragte ich herausfordernd.
    Der Tatzelwurm senkte den Kopf.
    »Der Wanife der Abira ist tot, Menschlein. Ich war sein Seelengeist … Mein geliebter Wolfger … ist tot.«
    Die Schlinge um meinen Körper löste sich. Die Gestalt des Tatzelwurms krümmte sich etwas.
    »Das tut mir leid«, murmelte ich. Ich erinnerte mich, was Kauket mir erzählt hatte, dass es für einen Geist genauso schlimm war, seinen Wanifen zu verlieren, wie für einen Menschen sein Kind.
    »Wie ist er gestorben?«
    »Er wurde umgebracht«, brüllte der Tatzelwurm und schlug mit seiner peitschenden Schwanzspitze auf den Boden.
    Ich wich erschrocken zurück, aber nicht so weit, dass es nach Flucht aussah.
    »Wer hat ihn getötet?«
    »Mordlüsternes Pack. Zerreißen will ich sie. Zerfleischen!«
    »Ein anderer Wanife?«
    Der Tatzelwurm hob den Kopf und musterte mich, als würde er erst jetzt wahrnehmen, dass ich überhaupt noch da war.
    »Geh jetzt besser, Menschlein«, meinte er beinahe sanft. »Bevor ich es mir anders überlege …«
    Ich nickte.
    »Nicht alle Wanifen sind so«, murmelte ich. »Ich werde dir keinen Schmerz zufügen.«
    Etwas wie ein Lächeln erschien auf der Fratze des Tatzelwurms.
    »Doch das wirst du, Menschlein – aber keine Sorge, ich werde es dir nicht übel nehmen, denn wenn wir uns wiedersehen, werde ich mit aller Kraft versuchen, dich zu töten.«
    Ich presste die Lippen zusammen und wandte mich ab. Nach ein paar Schritten verharrte ich und wandte mich noch einmal zum

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