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Die Wanifen

Die Wanifen

Titel: Die Wanifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Anour
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Aber du hast mir ja schon den Anfang nicht geglaubt.«
    Rainelf sprang von dem Stein und kam auf mich zu. Er blieb erst stehen, als sich sein Gesicht vor meinem befand.
    »Hast du ihm etwas von deinem Blut gegeben?«
    Ich hatte das Gefühl, als würden seine grauen Augen meine Seele durchleuchten. Sein Blick hatte etwas Unerbittliches. »Bevor ihn der Kelpi erwischt hat …«
    Rainelf krümmte sich. »Du weißt nicht, was du getan hast«, sagte er. »Jetzt wird alles noch viel schlimmer.«
    »Können wir ihm helfen?«
    Rainelf richtete sich unvermittelt auf. Ich konnte nicht umhin, die Eleganz seiner Bewegungen zu bewundern. Wie ein Hermelin auf der Jagd.
    »Du bedeutest den Tod, Ainwa, für dich und alle, die dir nahe stehen. Ich bleibe nicht länger in deiner Nähe.«
    Er wandte sich ab und ging langsam davon.
    »Rainelf, warte!«
    »Ich kann nicht bleiben, Ainwa!«
    »Was soll ich denn jetzt tun?«
    Er warf einen kurzen Blick über die Schulter.
    »Halt dich so fern von deinem Bruder, wie du nur kannst. Jemand hat dir geholfen. Ihn solltest du suchen.«
    Er wandte sich ab und tauchte in den Schatten des Waldes ein.
    »Rainelf!« Ich folgte ihm, so rasch ich konnte. »Du bist der Einzige, der mir hel…«
    Ich blieb wie angewurzelt stehen und blickte mich um. Rainelf war verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt. Ich hatte es nicht gewagt, Rainelfs Namen rufend durch den Wald zu irren. Die Begegnung mit dem fremden Wanifen hatte mir gezeigt, wie sehr ich mich vorsehen musste, wenn ich überleben wollte.
    Die Leiche des Steuners war über Nacht verschwunden. Ich vermutete, dass Rainelf sie weggeschafft hatte, während ich geschlafen hatte.
    Nach einer Weile hob ich meinen Stock auf und setzte meinen Weg zurück nach Ataheim fort. Mein Bein war zwar geheilt, doch ich konnte mich mit meinem Bogen nur gegen Angreifer aus der Entfernung zu Wehr setzen. Ein Stock war deshalb besser als nichts.
    Ich dachte über die seltsamen Dinge nach, die Rainelf gesagt hatte. Dass jemand mein Elchenband geschwächt hatte, um mein Leben zu retten.
    Vielleicht war das der Grund, warum Gorman mich noch nicht gefunden hatte.
    Aber wer hatte das getan und vor allem, wann und warum? Ich war außer Rainelf und dem Streuner keiner Menschenseele begegnet, und die beiden konnte ich ausschließen. In jedem Fall beunruhigte es mich, dass Rainelf es für zu gefährlich hielt, in meiner Nähe zu bleiben, als er erfahren hatte, was mit Gorman passiert war. Er war sicher erfahrener als ich und schien trotzdem keinen Weg zu kennen, Gorman zu helfen.
    Irgendwann stieß ich auf einen kleinen Bach. Darauf hatte ich die ganze Zeit gehofft. Im Seenland mündete das Wasser immer früher oder später in einen der Seen. Dieser Bach würde mich irgendwann zurück zu den Ata führen.
    Eine Weile später traf ich endlich auf den reißenden Lauf des Weyta, in den sich der kleine Bach glucksend ergoss.
    Ich blieb vorsichtig und wagte es nicht ans Ufer hinauszutreten.
    Gorman war kein Idiot. Er wusste, das Weytaufer war der sicherste Weg zurück zum Ata und wahrscheinlich wartete er schon darauf, dass ich zurückkehrte.
    Wenn es überhaupt möglich war, einer Kreatur wie Gorman zu entgehen, dann wollte ich es versuchen, zumindest so lange, bis ich mit Alfanger gesprochen hatte.
    Kreatur … So dachte ich also schon von ihm.
    Alfanger würde Rat wissen. Er musste einfach.
    Ich kämpfte mich durch das Uferdickicht bergab. Das war zwar wesentlich beschwerlicher, aber es schützte mich zumindest vor unliebsamen Blicken.
    Ich fand es sehr schwierig, mich hier lautlos zu bewegen. Das Laub und die trockenen Zweige schienen jeden meiner Schritte mit einem wahren Klangorchester zu untermalen. Erschwerend kam hinzu, dass ich geduckt schleichen musste, um möglichst wenig Aufmerksamkeit zu erregen. Als ich am späten Nachmittag endlich auf das Seeufer stieß, tat mein Rücken so weh, dass es mir schwerfiel, mich wieder zu meiner normalen Größe aufzurichten.
     
    Es fühlte sich seltsam an … Da lag Ataheim, das Pfahlhüttendorf der Ata, so ruhig und friedlich, wie ich es vor zwei Tagen verlassen hatte, als wäre dieser Albtraum nie passiert. Ich duckte mich tiefer ins Gebüsch.
    Eine Gruppe Frauen gerbte Wisentfelle. Sie sangen dabei lauthals ein Lied über den großen Geist Ata. Über keinen anderen Geist wurden so viele Lieder gesungen wie über ihn. Der große Ata, so hieß es, lebte in den Tiefen des Sees und war der ungestümste und gnadenloseste Geist von allen.

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