Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wanifen

Die Wanifen

Titel: Die Wanifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Anour
Vom Netzwerk:
mich etwas von sich und betrachtete mich verwirrt.
    »Ainwa … wie konntest du den Kelpi besiegen?«
    Ich wünschte, seinen fragenden Blick nicht sehen zu müssen. Ich wünschte, ihm nicht erzählen zu müssen, wie ich im Kampf gegen den Kelpi versagt hatte … Und noch viel schlimmer, wie mein geliebter Bruder nun das Schicksal erdulden musste, das meines hätte sein sollen.
    »Lass uns reingehen.«
    Ich hatte die Hütte des alten Heilers schon immer geliebt, selbst, als ich noch nicht dort gelebt hatte. Es roch nach Holz, Beeren und nach den Kräutern, die Alfanger zum Trocknen aufhängte – im Augenblick Thymian und Wasserminze.
    Beim Einschlafen hörte man das sanfte Plätschern des Ata. Neben meinem und Alfangers Schlafplätzen, die im Wesentlichen aus einem Stapel Felle bestanden, gab es große Tonbehälter, die mit getrockneten Beeren und Pilzen gefüllt waren. In der Mitte der Hütte befand sich die Feuerstelle, die die ständige Feuchtigkeit aus der Hütte vertrieb.
    Erst nach langem Drängen ließ ich mich dazu überreden, mich im See zu waschen, frische Kleidung anzuziehen und meinen Hunger zu stillen. Es fühlte sich falsch an, wie konnte ich all diese normalen Dinge tun, während Gorman da draußen war, und vielleicht nie wieder nach Hause zurückkehren würde?
    Ich erzählte sehr lange, die meiste Zeit über Gorman, aber auch von Rainelf und dem Fremden, der mich angegriffen hatte.
    Alfanger hörte zu. Ich bemerkte, wie er bei jedem Wort ein klein wenig mehr verfiel, und vermied es, ihn anzusehen. Ich tat es auch nicht, als ich geendet hatte, und fast darauf wartete, dass er mich aus seiner Hütte jagen würde.
    Alfanger schwieg. So lange, bis ich glaubte, es keinen Augenblick länger aushalten zu können.
    »Du hast mir nicht zugehört«, sagte er.
    »Wie meinst du das?«
    »Als du ein Mädchen warst, die Geschichte vom Elchenband. Du hast nicht genau zugehört, nicht wahr?«
    Ich schüttelte den Kopf. Damit hatte ich in diesem Moment am wenigsten gerechnet. Ein Vorwurf wegen einer verpassten Lektion.
    »Es ist gefährlich«, sagte Alfanger. »Zwei Menschen, die ein Elchenband teilen, verschmelzen mehr als nur ihr Blut. Sie werden eins.«
    »Ist das alles, was du mir zu sagen hast? Ich brauche keine Belehrungen, sondern einen Rat, wie ich Gorman helfen kann.« Alfanger brummte leise vor sich hin.
    »Ich weiß nicht, Ainwa. Ich weiß nicht, ich weiß nicht.«
    »Was soll das heißen?«, rief ich aufgebracht.
    »Der Kelpi zwang Gorman, sein Blut zu trinken. Ich weiß nicht, ob man es ihm wieder nehmen kann.«
    »Es muss einen Weg geben! Ich bin doch eine Wanife. Ich habe gesehen, wie ein Wanife einen leibhaftigen Percht beschworen hat. Wenn so etwas möglich ist, dann kann ich Gorman wieder zurückholen.«
    »Ainwa!«
    »Hör auf damit«, rief ich und sprang auf. »Hör auf damit, mich so zu behandeln, als wäre ich noch das kleine Waisenmädchen, das seine Eltern verloren hat. Wenn du mir nicht helfen willst, werde ich jemand anderen finden, der es kann!«
    »Beruhig dich. Die Kreatur, zu der Gorman geworden ist, würde dich finden … und töten.«
    »Wenn ich sofort gehe, hab ich eine Chance!«
    »Ich will dir ja helfen, Ainwa«, meinte Alfanger und hob beschwichtigend die Hände. »Aber du musst mich auch lassen.«
    Das war leichter gesagt, als getan, wenn man das Gefühl hatte, jeder Augenblick könnte entscheidend sein. Ich atmete tief durch und setzte mich wieder auf mein Felllager.
    »Was soll ich tun?«
    »Hm.« Alfanger seufzte und schloss die Augen. »Ich glaube, die Einzigen, die vielleicht Rat wissen, sind die Urukus. Anscheinend haben sie dir schon einmal geholfen. Wer sonst könnte einen mächtigen Zauber wirken, um das Elchenband zu dämpfen?«
    »Du glaubst, die Urukus haben das getan?«
    Alfanger nickte leicht und fixierte mich mit seinen hellen Augen.
    »Ich wünschte, ich wüsste, was sie sind«, murmelte ich. »Für einen Moment, im Wald, dachte ich, ich hätte sie gesehen … Und als ich bewusstlos war … ich weiß, jemand war bei mir. Ich habe Stimmen gehört …«
    »Wir müssen in Ruhe überlegen, wie wir dich sicher zu ihnen bringen können«, sagte Alfanger. »Aber vorher gibt es noch etwas anderes, über das wir reden müssen.«
    Ich blickte ihn fragend an.
    »Die Nacht bricht herein, und während wir sprechen, wird das Ratsfeuer entzündet. Galsinger wird dich nach seinem Sohn fragen.«
    Ich erstarrte innerlich. Mein Vater würde wissen wollen, was mit Gorman

Weitere Kostenlose Bücher