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Die Wanifen

Die Wanifen

Titel: Die Wanifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Anour
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Kraft die Übelkeit zurückdrängen.
    »Ich muss die Wunde reinigen«, rief sie mit belegter Stimme und sprang auf.
    »Ainwa.«
    »Reinigen … Dann bauen wir eine Schiene und bringen die Knochen wieder in Position …«
    »Ainwa.«
    »D–die Heilung wird dauern, aber du wirst wieder …«
    »Ainwa!«
    Sie hielt inne und grub ihre Fingernägel so fest in ihre Handflächen, dass es wehtat.
    »Alfanger hat alles versucht.« Gorman stöhnte. »Es ist … zu spät. Sie sind fast hier.«
    »Um was zu tun?«, murmelte Ainwa zitternd.
    Er lächelte. »Ich habe gedacht, du bist die Heilerin? Was würdest du mit diesem Bein tun?«
    Ainwa wollte etwas sagen, aber kein Wort drang über ihre Lippen.
    »Sie werden versuchen, das Bein abzutrennen. Das ist … das Einzige, das mein Leben vielleicht retten kann.«
    Ainwa kniete sich neben Gormans Lager und ergriff die Hand ihres Bruders.
    »Aber du wirst leben. Wenigstens wirst du leben.«
    Er schüttelte schwach den Kopf.
    »Die meisten sterben bei dem Versuch«, sagte er gedankenverloren. »Und selbst wenn …«
    »Wenn was?«
    »Wenn ich überlebe … werde ich ins Wasser gehen.«
    »Sag so was nicht«, wisperte sie. »Nicht mal denken darfst du es.«
    »Sieh dich doch mal um, meine Kleine«, sagte Gorman und strich ihr eine Träne aus dem Gesicht. »Wir leben in einer harten Welt. Was wäre ich denn in dieser Welt ohne mein Bein? Eine Last. Für nichts zu gebrauchen. Soll ein anderer für mich hungern, wenn die Nahrung knapp wird?«
    »Du bist doch mehr als nur ein Jäger, Gorman.« Ihre Stimme bebte.
    Gorman seufzte.
    »Von allen Menschen werd ich dich in der anderen Welt am meisten vermissen.«
    Eine Weile saßen sie schweigend da. Ainwa klammerte sich an Gormans Hand, unfähig, sie loszulassen.
    »Sie kommen«, meinte er unvermittelt. »Geh! Ich will nicht, dass du zusiehst.«
    »Ich bleibe!«, erwiderte sie. »Niemand kann mich zwingen, dich allein zu lassen.«
    »Ich bitte dich darum, Ainwa. Ich werd … schreien und wimmern – wie ein Feigling. So sollst du dich nicht an mich erinnern.«
    Ainwa sprang auf.
    »Nein! Ich werde nicht erlauben, dass sie dir das antun. Es muss einen anderen Weg geben!«
    »Lass gut sein, Ainwa, ich hab schon versucht, sie davon abzubringen. Aber … wenn ich dich noch einmal bitte, so wie am Wasserfall … Wenn du schnell wärst, du könntest es noch tun, bevor sie hier sind.«
    Sie starrte ihn an, fühlte das Beben des Hüttenbodens – verursacht von schweren Schritten, die sich über die Stege näherten.
    »Ich werd es nicht zulassen, hörst du? Du wirst leben!« Sie wandte sich ab und stürmte aus der Hütte.
    »Ainwa, nicht«, hörte sie ihn rufen, aber was er auch gesagt hätte, es hätte sie nicht von ihrem Vorhaben abgebracht.
    Sie machte ein paar Schritte auf den Steg hinaus. Auf den letzten Metern vor der Hütte war er sehr schmal. Wenn sie zu Gorman wollten, dann mussten sie sie schon ins Wasser stoßen.
    Eine Gruppe breitschultriger Jäger stampfte über den Steg auf sie zu. Sie trugen Fackeln und Feuersteinbeile. Die Beile, um Gormans Bein abzuhacken, die Fackeln, um den Stumpf auszubrennen – und Gorman würde jeden Augenblick davon mitkriegen. Die Gesichter der Jäger waren rußgeschwärzt. Ainwa kannte jeden Einzelnen von ihnen, aber jetzt wirkten sie sonderbar fremd und Furcht einflößend. Sie erkannte keine Regung in ihren Mienen.
    Der Steg schwankte leicht.
    »Wartet«, rief Alfanger. Die Jäger verharrten auf der kleinen Plattform, von der der schmale Steg zu Alfangers Hütte abzweigte, und wichen so gut es ging zur Seite.
    Alfanger und Galsinger bahnten sich einen Weg nach vorn. »Ainwa, du bist wach?«
    In Alfangers Miene spiegelte sich Erleichterung, aber auch eine seltsame Beunruhigung, die sie nicht zu deuten vermochte.
    »Was tut ihr hier?«, fragte Ainwa, obwohl sie die Antwort darauf bereits kannte – vielleicht wollte sie sie nur zwingen, es auszusprechen.
    Galsinger räusperte sich. Sie hatte ihren Ziehvater noch nie so gesehen. Normalerweise strotzte Galsingers bärtiges Gesicht vor Leben, jetzt wirkte er fahl wie ein blasser Geist.
    »Komm, Mädchen«, sagte er leise. »Das möchtest du nicht sehen.«
    »Nein«, erwiderte sie. Sie wusste, dass sie keinem dieser Jäger gewachsen war, aber sie hatte keine Angst.
    »Ich lasse euch nicht zu ihm.«
    Die Blicke der Jäger richteten sich auf sie. In manchen Augen blitzte es spöttisch.
    »Wir versuchen, Gormans Leben zu retten«, sagte

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