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Die Wanifen

Die Wanifen

Titel: Die Wanifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Anour
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Weyref zu, er sollte sich in Sicherheit bringen – und tatsächlich wandte er sich ab und schwamm mit panischen Zügen ans Ufer.
    Ainwa seufzte und blickte auf. Nur Alfanger war auf der kleinen Plattform zurückgeblieben.
    »Du weißt, dass du ihn damit nicht rettest«, sagte Alfanger ruhig.
    Sie schüttelte nur den Kopf.
    »Er wird sterben, Ainwa.«
    »Nein! Lass es … lass es mich versuchen, Alfanger. Ich kann ihm helfen.«
    Alfanger warf ihr einen mitleidigen Blick zu.
    »Gib mir etwas Zeit … Bitte! Wenn ich es dann nicht geschafft habe, lasse ich euch tun, was immer ihr tun müsst – aber lass es mich versuchen.«
    Jetzt schüttelte Alfanger den Kopf und wandte sich ab. Im Weggehen verharrte er noch einmal.
    »Wenn ich zurückkomme, lässt du uns besser zu ihm – sonst hast du einen Toten gerettet.«
    Alfanger entfernte sich.
    Sie hörte ein Furcht einflößendes Dröhnen neben ihrem rechten Ohr und spürte, wie etwas Weiches an ihrem Rücken entlangstrich. Sie hatte furchtbare Angst und jetzt, wo die Jäger fort waren, gelang es ihr kaum noch, sie im Zaum zu halten. Das Ding, das Weyref angegriffen hatte, war noch immer in ihrer Nähe und konnte sie jederzeit zermalmen, wenn ihm der Sinn danach stand. Sie schloss die Augen. »Hilf ihm«, murmelte sie mit zitternder Stimme.
    Ein unterschwelliges Knurren erklang, gepaart mit einem anmutig hellen Ton.
    »Hilf ihm! Bitte … Wenn er stirbt, sterbe ich.«
    Später konnte Ainwa nicht mehr sagen, was danach geschehen war. In einem Augenblick stand sie auf dem Steg vor Alfangers Hütte, im nächsten war sie umgeben von silbernem Funkeln, an einem warmen Ort, an dem sie sich sehr geborgen fühlte, weit, weit fort …
     
    Das Geräusch von unablässigem Regen und ein beständiges Schaben weckten Ainwa. Sie lag wieder auf ihren Fellen in Alfangers Hütte. Schlaftrunken blickte sie sich um. Der Hüttenboden neben ihr war leer. Irgendjemand hatte Gormans Felllager fortgeschafft.
    Sie stemmte sich auf die Ellenbogen und erkannte schließlich die Ursache für das schabende Geräusch, das sie geweckt hatte.
    Alfanger hockte auf dem Boden. Vor ihm lag ein großes Stück Rinde, auf das er getrocknete Weißdornbeeren ausgebreitet hatte, die er mit einem großen Stein zerrieb.
    »Was ist passiert?«
    Alfanger reagierte nicht. Er hielt den Mahlstein so fest – sie konnte sehen, wie seine Knöchel weiß hervortraten.
    »Wo ist Gorman?«, fragte sie mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend.
    Alfanger hielt kurz inne. Er ergriff einen Tontopf und schüttete neue Weißdornbeeren auf seine Unterlage. Dann begann er wieder, sie zu zermahlen.
    »Sag es mir«, brüllte Ainwa.
    Alfanger erstarrte.
    Ihr Atem ging sehr schnell. Das Letzte, woran sie sich erinnerte, war, vor Alfangers Hütte gestanden zu haben. Was war seither passiert? Und wieso konnte sie sich schon wieder nicht daran erinnern?
    Bedächtig legte Alfanger den Stein zur Seite. Er hob das Rindenstück und ließ die gemahlenen Beeren in einen zweiten Tontopf rieseln.
    »Dein Bruder ist im Wald«, sagte er, ohne sie anzusehen.
    »Was soll das heißen? Er kann nicht laufen!«
    Ainwa brach abrupt ab. »Oder ist er …?«
    »Er jagt.«
    »Machst du dich über mich lustig?«
    Alfanger blickte noch immer nicht auf.
    »Gorman läuft wieder.«
    Sie schüttelte benommen den Kopf. »Das ist unmöglich!«
    »Es ist so.«
    Ainwa sprang auf.
    »Wenn das wahr ist … Heißt das, Gorman muss nicht sterben? Ich muss ihn sehen! Ich muss mit ihm reden. Das ist ein Wunder!« Ainwa lachte und raufte sich die Haare.
    »Darüber müssen wir noch reden, über dieses Wunder«, murmelte Alfanger.
    Sie sah ihn an. Warum sah Alfanger ihr nicht in die Augen? Sie kniete sich neben ihn auf den Hüttenboden und wollte ihm die Hand auf den Rücken legen, führte die Bewegung aber nicht zu Ende. »Was ist los?«
    »Der Rat der Alten verbietet dir fortan, Gorman zu treffen. Sie fürchten, du würdest ihm schaden.«
    Ainwa lachte spöttisch und wartete vergeblich darauf, dass Alfanger mit einfiel. Ihr Lachen verwandelte sich in ein lautloses Krächzen. Sie starrte auf Alfangers unbewegte Miene.
    »Du meinst es ernst …«
    Alfanger schwieg.
    »Mein Vater würde das nicht zulassen!«
    »Wir beide waren als Einzige dagegen.«
    »Aber …« Sie spürte, wie ihr heiße Tränen in die Augen stiegen. »Wie lange?«
    Alfanger schwieg.
    »Oh …«
    Der alte Heiler seufzte.
    »Es ist nicht alles. Der Rat hat dich zu einer Hexe erklärt. Du darfst

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