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Die Wanifen

Die Wanifen

Titel: Die Wanifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Anour
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zurennen – und dann verschwamm alles um mich herum.
    Als ich wieder klar sehen konnte, lag ich immer noch im Laub, aber jetzt starrte ich auf einmal auf den Rücken des Perchts und war auch viel weiter entfernt als gerade eben noch. Die Quellwichte mussten mich fortgetragen haben, so schnell, dass ich es kaum gemerkt hatte.
    »O nein«, schrie ich. Der Percht fuhr herum und stieß ein überraschtes Knurren aus. Die Quellwichte glucksten und kicherten hell auf. Der Percht spannte sich zum Sprung. Wieder verschwamm die Umgebung für einen winzigen Augenblick – und dann konnte ich erkennen, wie der Sprung des Perchts ins Leere ging.
    Die Quellwichte lachten amüsiert. »Du kannst sie uns nicht wegnehmen«, riefen sie wie im Chor. »Wir sind schneller als der Wind.« Der Percht stieß ein ratloses Knurren aus.
    So sehr ich es hasste, es zuzugeben, sie hatten recht: Der Percht würde mir nicht helfen können, selbst für ihn waren ihre Bewegungen zu schnell.
    Ich wollte aufspringen, aber ihre nassen Hände drückten mich zu Boden.
    »Bekämpf uns nicht«, raunte mir der Gorman–Wicht ins Ohr. »Aus Wasserlilien flecht ich einen Kranz für dich.«
    Ich antwortete ihm ehrlich, was er mit seinen Lilien anstellen konnte.
    Die Quellwichte kicherten und begannen wieder, mich mit Küssen zu überschütten. »Runter von mir«, schrie ich.
    Wie sollte ich mich jemals von ihnen befreien? Ich wusste nicht einmal mehr, wo mein Stab lag.
    Ein schrilles Brüllen durchbrach die Luft. Ich zuckte zusammen. Das Gebrüll klang fremdartig wie die Mischung aus dem Schrei einer Frau und dem eines Adlers. Die Quellwichte kreischten erschrocken und ließen von mir ab.
    Ein Schatten verdunkelte für einen Augenblick die Sonne. Das Brüllen wurde noch lauter, noch schriller. Die Quellwichte heulten auf und pressten sich die Hände auf die Ohren.
    Ich nutzte die Gelegenheit und robbte aus ihrer unmittelbaren Reichweite. Die Wichte schrumpften, bis sie kaum mehr kniehoch waren. Ihre so vertrauten Gesichter waren plötzlich runzelige, bläuliche Fratzen mit Haaren aus Wasserpflanzen.
    Einer von ihnen fauchte enttäuscht. Der andere hatte seine grünen Froschaugen wütend zum Himmel gerichtet. Sie machten kehrt und verschwanden mit lautem Platschen in ihren Tümpeln.
    Das Brüllen verebbte. Ich starrte keuchend auf die Stelle, an der ich die Geister zuletzt gesehen hatte, jeden Moment darauf gefasst, dass sie zurückkehrten. Nach einer Weile stieg mir ein vertrauter Geruch in die Nase.
    »Chorrrrrjop.« Der Percht warf mir meine Gamsfelljacke vor die Füße und ein paar Fetzen, die einmal mein Hemd gewesen sein mussten.
    »Danke«, murmelte ich. Ich schämte mich unglaublich dafür, wie dumm ich gewesen war. Ich war gerade mal so mit dem Leben davongekommen.
    Erst jetzt bemerkte ich, dass eins meiner Hosenbeine fehlte. Auch der Bund war eingerissen. Nephtys würde toben und das zu Recht. Das hieß, wenn ich je meinen Stab wiederfand und in die Menschenwelt zurückwandeln konnte.
    Ein leises Rascheln riss mich aus den Gedanken. Ich hob alarmiert den Kopf.
    »Sind sie zurück?« Der Percht wandte sich langsam um. Diesmal schien ihn das, was er sah, nicht zu beunruhigen.
    Ich stand auf und musste nach meiner Hose greifen, die hinunterzurutschen drohte, aber als ich mich umdrehte, war ich so verblüfft, dass ich für einen Moment auch sie vergaß.
    In einigen Schritten Entfernung stand eine riesige Kreatur, wie ich sie noch nie gesehen hatte. Der Körper war sandfarben und erinnerte mich an den eines großen Löwen. Auf dem Rücken trug das Geschöpf ein Paar riesige, gesperberte Flügel. Die Kreatur schüttelte ihr mächtiges Haupt. Sie hatte durchaus menschliche Züge, ein bartloses, marmorfarbenes Gesicht, das von einer sandfarbenen Mähne umrahmt wurde. Neben diesem Geschöpf wirkte der Percht fast schmächtig.
    Die schwarzen Augen musterten mich abschätzend.
    »Ata?«, flüsterte ich und wich einen Schritt zurück. Ich bemerkte, dass mir vor lauter Überraschung die Hose runtergerutscht war. Hastig zog ich mir ihre kläglichen Reste wieder über die Hüften. Was für ein erster Eindruck!
    Ata neigte sein Haupt zur Seite. Ich konnte in seiner unbewegten Miene nicht den Hauch einer Emotion lesen und dann begriff ich mit einem Mal, wen ich wirklich vor mir hatte.
    »Hallo Sphincos«, sagte ich.
    Kaukets Seelengeist machte einen kleinen Schritt zurück, ohne mich aus den Augen zu lassen.
    Es dauerte, bis ich bemerkte, was da vor Sphincos’

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