Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wanifen

Die Wanifen

Titel: Die Wanifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Anour
Vom Netzwerk:
Ehrfurcht gebietenden Pranken lag.
    »Mein Stab! Danke!«
    Sphincos zeigte nicht die geringste Reaktion auf meine Worte. Sie wandte sich ab und verschwand mit ein paar kraftvollen Sätzen im Wald.
    Ich lief sofort zu meinem Stab und seufzte auf, als ich sein vertrautes Gewicht spürte.
    »Bitte«, murmelte ich an den Percht gewandt. »Führ mich einfach zurück zum Kraftplatz. Ich will nur noch nach Hause.«
     
    Kauket hockte noch immer im Rotbuchenhain neben Schepsis Gräberstein. In seiner Lieblingsposition, im Schneidersitz mit seinem Stab quer über die Beine gelegt, blickte er mir seelenruhig entgegen.
    Ich wollte nicht wissen, was für einen Anblick ich bot, als ich an ihm vorbeischlurfte. Kein Hemd, ganz zu schweigen von einer zerrissenen Hose, die ich ständig festhalten musste, damit sie mir nicht hinunterrutschte. Wild zerrauftes Haar, das voller Blätter war, und Hals und Gesicht, die von den unübersehbaren Malen wilder Küsse bedeckt waren.
    Ein süffisantes Grinsen breitete sich auf Kaukets Miene aus.
    Sein Gesichtsausdruck ließ mich vor Wut kochen, aber ich schämte mich zu sehr, um etwas zu sagen. Außerdem war ich überzeugt, dass Kauket mir Sphincos zu Hilfe geschickt hatte. Ohne ihn hätten mich die Quellwichte wohl in ihr nasses Reich hinabgezogen.
    Ich schleppte mich wortlos auf das Seeufer zu. Ich wollte nur noch schlafen.
    »Ainwa«, rief er. »Morgen zeige ich dir, wie man kämpft.«
    Ich nickte, wandte mich wieder ab und stapfte weiter.
    »Falls es dich interessiert, Sphincos hat Erfahrung damit, junge Wanifen vor mondtollen Geistern zu retten. In meinem Fall waren es Salkweiber.«
    Ich verharrte und sah Kauket an. Er war aufgestanden und seine Miene wirkte so ernst wie die seines Seelengeists – kein Spott mehr, sondern Verständnis.

Kapitel 11
    Geisterringen
     
     
     
    K auket verhielt sich erstaunlich diskret und redete nicht über den Zwischenfall mit den Quellwichten. Er nahm die Schuld für meine zerrissene Kleidung auf sich und erzählte Nephtys, er hätte mit mir für den Ernstfall trainiert.
    Erwartungsgemäß handelte er sich eine Standpauke seiner Schwester ein, die er gelassen über sich ergehen ließ. Ich konnte ihre Reaktion durchaus verstehen. Sie war besorgt um mich, aber abgesehen davon war es auch sehr schwierig, die Kleidung der Urukus herzustellen. Nephtys sagte, es brauchte Wochen, und nachdem sie nach wie vor einen Großteil der Arbeit im Dorf allein verrichtete, stellte das eine unnötige Zusatzbelastung für sie dar.
    »Ich habe noch meine Atakleidung«, versuchte ich sie zu beruhigen. »Und die ist völlig in Ordnung.«
    »Hör auf, ihn zu verteidigen, Ainwa. Auch mein werter Bruder muss einsehen, dass er sich manchmal mit den alltäglichen Dingen dieser Welt auseinandersetzen muss, es sei denn, er möchte, dass wir in Zukunft im Wald leben wie die Tiere.«
    »Du hast recht«, erwiderte Kauket sachlich. »Ich werde dich in Zukunft wieder mehr unterstützen, Nephtys.«
    »Siehst du das? Ich hasse es, wenn er seine Fehler zugibt, noch viel mehr, als wenn er mich einfach ignoriert. Dann kann ich ihm nicht einmal böse sein.«
    Ich schmunzelte und nach einer Weile breitete sich auch auf Nephtys’ Miene ein unfreiwilliges Lächeln aus.
    »Dann hätten wir das ja besprochen«, meinte Kauket mit hochgezogenen Augenbrauen. Ich hätte schwören können, auch in seinem Gesicht ein Grinsen gesehen zu haben.
    »Ruh dich jetzt aus, Ainwa. Morgen wirst du deine ersten, nun ja, nicht ganz deine ersten Erfahrungen im Geisterringen machen.«
     
    Über Nacht war der erste Frost ins Tal gekommen und ich bemerkte, wie die Blätter nun viel rascher von den Zweigen fielen als zuvor. Es war ein klarer Tag, und obwohl die Nacht klirrend kalt gewesen war, sorgte die Sonne tagsüber noch für einen letzten Hauch von Wärme, ehe das Seenland in seinen langen Winterschlaf fallen würde.
    Im Wald war schon lange Stille eingekehrt. Die meisten Singvögel waren längst fort und nur die Warnrufe der Meisen und das weit schallende Krächzen des Kolkraben durchbrachen am Tage die Stille.
    Auf dem See hatten sich bereits ein paar Schell- und Reiherenten eingefunden, Wasservögel, die im Seenland überwinterten. Ich schätzte, sie würden zum Ata abwandern, wenn die richtige Kälte Einzug hielt. Im Ata gab es während der meisten Zeit auch im Winter an Flussmündungen meistens noch kleine Wasserflächen, die nicht zufroren und wo sie Nahrung finden konnten.
    »Nicht trödeln, Ainwa.«
    Ich lief

Weitere Kostenlose Bücher