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Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj Kostenlos Bücher Online Lesen
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konnte den Hut ablegen und den gerollten Regenschirm wegstellen, den er des unsicheren Wetters wegen trug, und wohl auch noch immer nach den Gepflogenheiten der alten Heimat. Sie betraten die Zimmer und Monica ging voran. Grün aus dem Garten lag im Weiß der durchsichtigen Vorhänge. Das Eckzimmer (vor Monica’s Schlafraum) erhielt diesen Schein von zwei Seiten. Sie sagte: „Du wirst mich dann für eine halbe Stunde entschuldigen, Donald, ich muß einen Briefentwurf machen, ich glaub’, ich hab‘ die Sache eben jetzt klar im Kopf und will sie auf den Block werfen.“ Er hatte sich auf einen Fauteuil niedergelassen, lächelte freundlich und kramte seine Pfeife hervor. Wie wir das hier so schreiben, kommt’s heraus, in der deutschen Sprache nämlich, als würde unsere Ingenieurin den Donald richtig duzen. Aber so war es nicht. Sie redeten ja stets englisch miteinander. Die Schwelle zwischen dem ,Sie‘ und dem ,Du‘, deren Überschreiten bei Liebesleuten immerhin was zu bedeuten hat, war hier unsichtbar geblieben; sie hatten jene wohl überschritten, aber dies war nicht Wort geworden, nicht ausdrücklich geschehen. Wir halten das nicht für ganz bedeutungslos. Vor anderen Leuten und in deutscher Sprache hätten sie einander selbstverständlich mit ,Sie‘ angesprochen. Die letzte Gelegenheit dieser Art lag übrigens schon einige Zeit zurück: es war Monica’s Einstandsfeier in diesem neuen Heim hier gewesen. Damals aber hielten Monica und Donald wirklich noch beim ,Sie‘.
    Es war inzwischen hier im Zimmer etwas dunkler geworden. Sie setzte sich zu ihm auf die Lehne des Fauteuils. Zum ersten Mal, als sie einander jetzt küßten und ihre feste Brust ihn, man könnte sagen, ausführlich berührte, fühlte sie etwas wie eine bäumende Welle, eine Dünung durch seinen langgestreckten Körper gehn. Sein Hinterkopf, den sie hielt, füllte nicht ihre Hand, sondern war flach und grade. Sie blieben Mund an Mund. Zum ersten Mal auch glitten seine Hände von ihren Schultern, und er formte den Umriß ihrer Leiblichkeit langsam nach, auch das war ausführlich. Endlich. Sie sprang von seinen Knien, auf die sie gerutscht war, stand vor ihm und sah ihn aus aufleuchtenden Augen an; dann wich sie, ohne sich zu wenden, Schritt hinter Schritt zur Türe ihres Schlafzimmers, griff nach rückwärts, öffnete den hohen weißlackierten Flügel, glitt, den Blick immer auf ihm, hinein und nickte noch lächelnd aus dem sich schließenden Spalt, nickte Gewährung.
    Nickte Gewährung, ja, so sagen nur wir! Donald blieb sitzen, lauschte auch nicht nach nebenan. Der Himmel hatte sich noch mehr verfinstert. ,Sie muß Licht machen, wenn sie auf ihren Block einen Briefentwurf schreiben will.. ‚, ja, das dachte er wirklich. Es war das Unnötigste und vollends Überflüssigste, was in seiner Lage gedacht werden konnte. Doch wußte er, daß irgend etwas zu geschehen hatte. O ja, das schon. Aber es begann prasselnd zu regnen und damit entstand für Donald eine ganz andere und wie von weither kommende Lage, und aus ihr tat er garnichts, nichts Falsches und nichts Richtiges.
    Er blieb einfach aus.
    Er war nicht da. Der Regen stürzte wild am Fenster herab, wusch es in Bächen, trommelte unten auf dem Kies. Und Donald starrte hinaus in diese wahre Wasserswand. Wenn er irgendetwas wollte, dann wäre das gewesen, aufzuspringen und dort hinunter zu schauen, wo die zerstörende Wassermasse auftraf. Indessen hielt ihn eine Lähmung nieder, die wie von außen kam, und als sei eine Barriere quer über ihn gefallen.
    S ie hatte drinnen ihre Kleider auf die alte Causeuse geworfen und lag jetzt am Rücken, mit geschlossenen Augen.
    Es war also geschehen, ja, es war wirklich geschehen, die sturzartige Wendung war da. Was jetzt kommen würde, war bereits geschehen.
    Natürlich hätte sie noch zurück gekonnt. Alles war ihr eigenes Werk.
    (So also fuhr Monica im geretteten Kahn ihrer Souveränität, eine Nuß-Schale, ja, ein auf’s Wasser gefallenes schwimmendes Blatt, augenlos über der Tiefe).
    Dann kam, daß nichts geschah. Es walzte sie sehr langsam platt, aber wuchtig: von den Füßen her beginnend, vom Fußende des breiten Bettes her, das gegen die weißlackierte Flügeltüre zu sich erstreckte. Davor die Causeuse mit ihren Kleidern. Als nach geraumer Zeit – während schon der Regen prasselte – die unaufhaltsame Walze ihren Magen zu erreichen begann, glitt sie in plötzlicher Behendigkeit darunter weg und aus dem Bett und drehte an der Türe den

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