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Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj Kostenlos Bücher Online Lesen
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selbst zu sein, niemand Gelegenheit zum Dreinreden zu geben. So stießen die sich schließenden Grenzen der Person schon härter an die Umwelt. Bei jeder Pose besteht die Möglichkeit, daß sie nichts anderes ist als die an den Horizont gestellte noch leere Rüstung einer bestimmten Haltung, in die einer schließlich hineinverschwindet. Er hat sie bisher nur spielend geübt, wie ein Kind die Tätigkeiten der Erwachsenen nachmacht. Man dürfte eigentlich über posierende Menschen nicht geringschätzig urteilen (man tut’s fast immer). Denn plötzlich hört so ein Poseur dann auf, und ist geworden, was er bisher spielte, wie ein Bub etwa, der im späteren Leben wirklich ein Lokomotivführer oder Schiffskapitän wird.
    Zdenko, und nicht Augustus, wie Professor Petschenka erwartet hatte, wurde im folgenden Semester Klassen-Erster oder ,Primus‘, wie sie damals sagten. Er verschwieg es daheim. Auf seinem hervorragenden Zeugnis, das er im Juli erhielt, war es ja nicht vermerkt.
    Daß Zdenko ,Primus‘ geworden war, fand dann lebhaften Beifall bei den sogenannten ,Elementen‘ der Klasse (,Es gibt in dieser Klasse Elemente, mit denen man noch fertig zu werden wissen wird!‘), also bei jener Sorte von Faulpelzen, Raufbolden und Schwindlern, die hier Ruhe, Ordnung und den Unterricht störten, wo immer sie konnten und einen Faktor der öffentlichen Unsicherheit bildeten. Der Direktor des Gymnasiums nannte solche unter anderem auch ,Giftpflanzen, die ausgerottet werden müssen‘. Die schlimmsten unter ihnen waren drei und hießen Ventruba, Rottenstein (Freiherr von) und Doderer. Diese Elemente (die zum Teil ganz passabel lernten!) sahen Zdenko lieber als Klassenprimus als einen von den ,Iusti‘, den Gerechten, den Stuckern, Büfflern und Strebern: diesen gönnten sie es, daß Chlamtatsch ihnen den Rang abgelaufen hatte. Ihn, obwohl er ja ein sehr guter Schüler war, zu den ,Iusti‘ zu zählen, wäre, wie schon erwähnt worden ist, niemandem eingefallen.
    Da seine Leistungen seit langem schon sehr gute gewesen waren, wurde deren Steigerung freilich so rasch nicht sichtbar. Jetzt, im Frühling, befand er sich in vollster Tätigkeit, immer doch schmerzhaft bewohnt von dem, was ihn verwandelt hatte.
    Es gehörte zu diesem Stande der Dinge und zu diesem Frühjahr, daß er auch äußerlich Räume betrat, die ihm neu waren, so nahe sie gelegen haben mochten. Er hat späterhin gerade dies als die eigentlichen Drehpunkte, ja, man möchte sagen, als die Geburt seiner Jugend betrachtet, und mit ihnen vielleicht noch das Gehen durch die vielen Zimmer bei Frehlingers und vorüber an dem Bilde der Eisenbahnbrücke über den Firth of Forth. Nie aber eigentlich jene schneeweiße Explosion auf der Causeuse. Diese blieb ein Muttergestirn, eine Sternmutter, ein ,Algol‘, wie die Astronomie jene ungeheuren, einsamen und trabantenlosen Ansammlungen von Materie im Weltraum auch nennt, Reserven des Universums. Jetzt, wo über das lange Lanzengitter des einstmals Gräflich-Razumovsky’schen Parks – so weit von ihm noch etwas vorhanden war, denn auf diesen Gründen hatte man ja in den späten Siebzigerjahren das Gymnasium und die daran grenzende Lehrerbildungs-Anstalt gebaut – jetzt, wo über dieses Gitter schon die grünen Büsche sich zum Gehsteig neigten, kam er erstmals durch einen Zufall dahin, jenen Garten zu betreten. Er stand sonst nur in Benützung der Lehrerbildungsanstalt. Diese hatte einen Projektions-Apparat aus dem Physiksaal des Gymnasiums entlehnt, der nun wieder zurück verbracht werden sollte. Den Organen der Lehrerbildungs-Anstalt wurden für den Transport noch zwei ältere Schüler des Gymnasiums – zum Tragen einzelner empfindlicher Bestand-Teile der Vorrichtung – sowie der Hilfsdiener Zechmann beigegeben.
    Ihn galt es zu finden, bevor man hinüberging, und das lief auf ein Absteigen in Unterwelt und Hausmeisterei hinaus – „Hilfsdiener“ war eine vornehme, von oben herab verliehene amtliche Bezeichnung, in Wirklichkeit war Zechmann der Hausmeister – also gleichsam in die niedrigeren Eingeweide der Anstalt, von welchen sowohl Aristoteles wie Euripides und Demosthenes unterwachsen waren. „Ad inferos!“ sagte Hofmock und drückte den hohen schweren Türflügel auf, der durch seinen automatischen Schließer einigen Widerstand bot. Und dann stiegen sie die Kellertreppe hinab.
    Diese war breit. Ebenso die halbdunklen Gänge. Es war ein Spiegelbild der Oberwelt, was sie jetzt umfing, nur eben anderen und

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