Die Wasserfälle von Slunj
gerümpligen Geistes und erfüllt von jener bewegungslosen mausgrauen Luft, die das Wesen des Hades ausmacht. Schon auch spürte man den hier zuständigen Gott, denn Zechmanns furchtbarer Vier-Kreutzer-Tabak leitete die Schüler so, daß sie des weißen emaillierten Schildchens an der Türe garnicht bedurft hätten. Sie standen in Zechmanns Küche.
Dieser, ein gutmütiger Säufer mit hellem wässrigen Blick, erhob sich beim Eintritte der jungen Herren und lächelte gleichsam entschuldigend, ja, als wollte er diese Küche hier entschuldigen, und die auf dem Herde brodelnden Töpfe (aus denen ein garnicht übler Duft kam), und sein eigenes Vorhandensein und Tabakrauchen, und daß es überhaupt diese Unterwelt gab, und daß sie es wagte, sich unter Platon und Cicero gerümplig und eingeweidig auszudehnen und garnicht weniger geräumig als die obere. Frau Zechmann war nicht sichtbar. Der Hilfsdiener hatte allein am Herde gesessen, auftragsgemäß auf die Töpfe achtend und die Zeitung in der Hand.
Vielleicht kam Zechmanns etwas hilflose Verlegenheit auch daher, daß er jetzt die Töpfe auf dem Herde nicht allein lassen konnte, anderseits aber – wie ihm Zdenko und Fritz gleich sagten – im Auftrage der Direktion mit ihnen zu gehen hatte, um den Projektor zu holen. Denn als jetzt Frau Zechmann mit ihrer Einkaufstasche eintrat, vom Markte zurückkehrend, gewann er alsbald festere Haltung, vielleicht sogar auch als Ehemann diesen Knaben gegenüber. Des Zechmanns Frau war munter. Um zehn Uhr pflegte sie am Schüler-Buffet eilfertig die heißen Würstel aus dem mächtigen Topfe zu fangen, und mit den Schülern hatte sie einen wohlwollenden Ton des Umganges, als kennte sie deren mitunter große Sorgen (solchermaßen spiegelten sich also die langen Sätze des Demosthenes in der Unterwelt ab). Sie war wohl jünger als der tabakrauchende und lampenanzündende Gott der Gänge und Aborte, jedenfalls weit besser erhalten. Auch fehlte bei ihr ganz jener säuerliche Leidenszug, wie ihn Frauen von Trinkern oft an sich haben (was Wunder?!). Offenbar hatte sie sich mit den turnusweisen Bezechtheiten des gutmütigen Gatten längst und ein für alle Male abgefunden.
Sie ließen Frau Zechmann bei ihren Töpfen und verließen die Unterwelt, den Zechmann gleichsam als Beute aus dem Hades an die süße Luft der Oberfläche bringend, wie einst Herakles den Cerberos, doch war’s weniger gefährlich.
Dann in fremden Gängen, die doch ganz so aussahen wie jene des Gymnasiums drüben, nur hatte man diese da kaum mehr betreten, seit der Volksschülerzeit hier in der ,Übungsschule‘, welche der Lehrerbildungs-Anstalt angeschlossen war. ,Übungs-Schule III. Classe‘ stand über einer Türe, schwarz auf braun. Befremdlich. Man hörte Stimmen von drinnen, hier wurde Unterricht gehalten.
Hofmock war es, der auf den Gedanken verfiel, vor dem Übernehmen der Sachen, die sie holen sollten, doch einmal jenen Garten zu betreten, in welchen man nie kam. Der Schuldiener, der ihnen begegnete, und an welchen sich unsere Delegation gleich gewandt hatte, führte jetzt die jungen Herren bereitwillig hinaus (es gab dafür ein Trinkgeld, im M.C. wußte man nicht nur, was sich nach oben, sondern auch, was sich nach unten gehörte !). Sie betraten einen augenblicklich nicht benützten Unterrichts-Saal der Lehrerbildungs-Anstalt – der Schuldiener sperrte ihn auf – und jetzt zeigte sich, daß dieser große Raum, der viele in Reihen aufgestellte Tische enthielt, fast zu ebener Erde direkt an den Garten grenzte. Man konnte in diesen durch eine Glastüre, welche sich neben dem Podium und Katheder befand, hinaus gehen.
Nun standen sie da, auf den grauen schweren Steinplatten einer dem Gebäude vorgelagerten, nur zwei Stufen hohen Terrasse, und sahen in eine wohlgeordnete Gepflegtheit (vielleicht diente der Garten auch zu Unterrichtszwecken?) und in freundliche, den Blick durch’s Grün leitende schmale Wege. Der Himmel war bedeckt, der Tag hatte keinen Sonnenschein. In seinem zerstreuten Licht stand drüben die schwere hohe Parkfront des Palais’ Razumovsky (wie ein nach Wien verschlagener Teil des Petersburger Palastkais an der Newa, dem bescheidenen Wesen der Wiener adeligen Privathäuser völlig fremd).
Sie machten ein paar Schritte in den Garten hinein, bis zu einem steinumrandeten Becken, in welchem einige noch nicht erblühte Wasser-Rosen schwammen.
Der Garten war doch immer noch sehr weit und lang, es eröffnete sich von hier fast eine Art
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