Die Wasserfälle von Slunj
goldfarbenen elliptischen Handgriff des Riegels, mit einem Gefühl heftigen Dankes, weil ihr dabei von dem gehorsamen Ding Lautlosigkeit geschenkt wurde. Wie ein Schatten in ihre Kleider. Vor den Spiegel. Auf dem Toilette-Tisch lagen, zufällig von ihr in’s Schlafzimmer getragen (sie war durch ihre Räume auf und ab gegangen) und dann liegen gelassen, als Donald, der Minutenpünktliche, zu erwarten gewesen war, ein Schreib-Block und ihr silberner Stift. Sie ergriff beides und fühlte sich noch tiefer erleichtert und dankbar wie eben vorhin, wegen der weichen lautlosen Art, in welcher der Riegel sich geschlossen hatte. Einen Augenblick zuckten ihre Mundwinkel verächtlich, als sie bei dem Trostgedanken sich ertappte, Donald könnte vielleicht wirklich vermeint haben, sie wolle jetzt arbeiten .... Sogleich dann trat sie bei Donald ein, Block und Stift in der Hand.
„Y ou got it?“ fragte er. Sein Gesicht war von einer befremdlichen Trauer erfüllt, nur in den ersten Augenblicken. Der Regen schwieg, es wurde heller.
„It’s all right“, sagte sie und sah durch’s Fenster in den Himmel. Dieser war jetzt aufgerissen. Die Wolken ließen an zwei Stellen das Blau sehen.
Sie beschlossen, ein wenig in der frischen Luft spazieren zu gehen, und dann im Parkhotel zu essen.
A m folgenden Tage verließ Milohnić zu guter Stunde sein Hotel auf der Josefstadt – in der Halle schüttelte er dem einstigen Chef und jetzigen Collegen herzlich die Hand (ein alter Herr schon! – nun, wir sehen nur den Mitalternden und uns selber nicht in’s Gesicht), und so machte er sich denn auf den Weg zu Claytons in den Prater, wo heute ein five o’clock stattfinden sollte (geläufige Begriffe! erworben! das Genie Chwostik besaß sie wie angeboren/!!/, Golf-Wiesenbillard!). Ein Fünf-Uhr-Tee. Milo war gleich auch dazu eingeladen worden – mit großem Halloh von Seiten Robert Claytons! – als er gestern, am ersten Tage seines Wiener Aufenthaltes, telephonisch das Bureau von Clayton & Powers angerufen hatte.
(Monica ihrerseits hat da nicht mehr zurück können – und wie denn auch?! Sie hätte damit doch dem Donald demonstriert, daß am Vortage zwischen ihm und ihr irgendwas passiert sei, und es war doch nicht das Geringste passiert! /Wahrhaftig!/ Die jetzt in Wien lebende Nichte des Doctor’s Eptinger war selbstverständlich gebeten worden, und ihre Eltern auch gleich dazu.)
Milo also machte sich auf den Weg, bei knallblauem Wetter und Sonnenschein (aber der Tennisplatz bei Claytons war weder trocken noch gebrauchsfertig nach den Regengüssen der letzten Tage, aus dem Turnier mit Donald als Schiedsrichter konnte also zunächst nichts werden, und der M.C. erschien somit nur zum five o’clock).
Die Stunde war früh, erst kurz nach vier. Milohnić ging ein Stück zu Fuß durch die Stadt. Dem eleganten, kräftigen Andreas hätte wirklich niemand sein Alter angemerkt. Das dichte Haar war schwarz. Wir sehen es jetzt, weil er für ein paar Schritte den Hut mit dem Stock und den Handschuhen in der Hand trägt. Er verläßt die Josefstadt gegen das Parlament zu, kreuzt den Ring und geht am Volksgarten entlang und am Burgtheater vorbei. In der Schottengasse, am Hof und am Graben bleibt er mehrmals vor Schaufenstern stehen.
Milo’s Aufenthalte in Wien dienten immer auch modischen Zwecken. Er absolvierte seine Schneiderproben und fuhr jedesmal nahezu neu angezogen nach Belgrad zurück, mit Sachen, die er schon während des Urlaubes getragen hatte und in welche er, des Zolles wegen, sein Monogramm sticken ließ. Ein böhmischer Schustermeister namens Ouhrabka in der Habsburgergasse hatte Milo’s Modell-Leisten, und wenn er eintraf, waren seine Schuhe fertig, er konnte sie gleich tragen und ausprobieren, ob wo was drückte. Für Krawatten und Handschuhe hatte Milohnić stets ein wachsames Auge, wenn er durch die Stadt ging, und seine Hemden wurden gleichfalls in Wien genäht.
Es war heute köstlich. Es war einer jener Tage, die immer wieder da oder dort einen weißleuchtenden Stern platzen lassen, vom Widerglast der Sonne in einem bewegten Fensterflügel oder in der Scheibe eines Fahrzeugs.
Natürlich war er gestern schon mit Chwostik beisammengesteckt (der heut’ auch kommen sollte), im alten Beisl sogar, wo einst Pēpi’s Vater Kellner gewesen. Der Wirt war nun längst ein anderer. Chwostik schien Milo jedesmal wieder in kaum glaublichem Maße unverändert. Vielleicht lag das Geheimnis einfach darin, daß Pēpi niemals jung ausgesehen
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