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Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj Kostenlos Bücher Online Lesen
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Fernsicht, nicht nur zu dem Palast hinüber, sondern auch rechts davon in die Straßen.
    Sonst ging man dort draußen vorbei.
    Befremdlich. Nun stand man herinnen unter vielen sichtbaren Einzelheiten. Zdenko dachte plötzlich daran, daß vor ihm in der Bank Heinrich Frehlinger saß. Weiter nichts; obwohl er weiterdenken hätte können. Etwa, daß sie beide den gleichen verborgenen Ort passiert hatten, wenn auch in sehr verschiedenen Lebensaltern und in umgekehrter Richtung. Das wäre unleugbar gewesen, aber Zdenko dachte es nicht. Es gehört zum Leben, daß wir Naheliegendes und Unleugbares einfach nicht denken.
    Auch in Zechmanns Küche war Grün gewesen. Zdenko nahm es gleichsam erst hintennach wahr. Blattpflanzen am Fenster.
    Alles stand hier still. Die Luft, die Wolken am Himmel, die fernen Häuser. Auch die Zechmann’sche Unterwelt war still gestanden. Die Blattpflanzen am Fenster.
    Sie wandten sich aus dem Garten zurück und zu ihren Obliegenheiten.
    W ir haben schon einmal zwei Leute umgestülpt wie die Handschuhe, weil wir erfahren wollten, wie sie’s auf der abgekehrten Seite machen, die man sonst nicht zu sehen kriegt: nämlich den Herrn Direktor Chwostik und den Oberlandesgerichtsrat Doctor Keibl. Warum sollen wir das mit Mr. Donald Clayton nicht auch tun, wenn wir schon – weil ein solches Verfahren völlig aussichtslos wäre – von einer ganz anderen Art, seine Kehrseite zu behandeln, Abstand genommen haben?
    Der Leser weiß schon.
    Monica fragte ihn sogar einmal ganz geradezu danach: dann aber wurde ihr schwindlig. Denn natürlich hatte sie ihn nach ,Erlebnissen‘ gefragt – was denn anderes konnte sie hier sich vorstellen als das, was sie selbst gehabt hatte, sei’s in Birmingham, sei’s in Zürich – aber nicht nach Veranstaltungen und Gepflogenheiten. „An solchen Dingen ist doch nie ein Mangel“ – so Donald – „in meiner Lage bietet derlei keine Schwierigkeiten. Tabarin, Moulin rouge.“ Soignierte Wege des Adam. Nicht gerade die Adamsgasse. Einer hatte er sogar eine kleine Wohnung gehalten. Später wurden ihm ihre Ansprüche zu hoch. Wie alle Männer von dieser Lebensweise – und besonders solche aus nördlichen Ländern! – war er im Grunde der Meinung, daß eine anständige Frau für so etwas garnicht da ist (Stiefel! Stiefel!). Die Methode mag übrigens auf höchster Ebene schon was für sich haben. Nicht aber auf der Ebene des Mr. Donald.
    Zu Monica nach Hietzing fuhr er nicht im Wagen (wegen des Chauffeurs), sondern mit der Stadtbahn bis Unter-St. Veit. Diese Haltestelle lag der sehr hohen Nummer ihres Hauses in der Auhofstraße am nächsten. An der Wende des April und Mai, bei trübem, aber schon beinahe heißem Wetter, war seine Lage gegenüber Monica für ihn doch schon durchaus spürbar geworden, eine Art stumpfer aber vordrängender Spitze, ein dumpfer Druck im Gewissen. Ein solcher kann für uns mehr wert sein als die klarste Erkenntnis. Man muß die Spitze nur schärfen, man muß sie ausziehen. Es besteht kein Zweifel, daß Donald einer wanzenplatt banalen Hemmung unterlag: der Vorstellung nämlich, daß er, gegebenen Falles, die Monica heiraten müsse. So furchtbar moralisch werden immer jene, die ein doch immerhin recht beachtliches Gebiet des Lebens bis dahin vom Leben ausgeschlossen haben. Unter dieser Trivialität aber lag eine tiefere und vielleicht bessere Schicht: das Zusammenleben mit dem Vater – Clayton bros.! – der längst zum Bruder geworden war, ließ Möglichkeiten außerhalb dieses Fundamentes und ohne dasselbe kaum zu einer anschaulichen Vorstellung werden.
    So in seine Druckpunkte gefügt – die nun schon beinahe gewohnt zu werden begannen – und doch wohl wissend, daß die Lage immer noch in seiner Hand lag und durchaus deren Druck gehorchen würde, stieg er die Treppen vom Perron der Stadtbahn und trat in die etwas dumpfe Atmosphäre eines Frühlingstages ohne Sonnenschein hinaus, sich alsbald nach links wendend und in eine Gasse, welche senkrecht auf die Auhofstraße zu lief. Auch dieser Weg war schon gewohnt, variiert heute nur durch sein Eingepacktsein in das besonders windstill-schweigsame und glanzlose Wetter des Tages. Ungewohnt jedoch war der Umstand für Donald, daß, als er den Treppenabsatz erreicht hatte und auf die Tür zutrat, um zu klingeln, deren matt olivgrün in’s Stiegenhaus spiegelnder Flügel lautlos von selbst aufging und das Dunkel im Vorraum sehen ließ.
    Aber sie machte gleich Licht, als er eingetreten war, und Donald

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