Die Wasserfälle von Slunj
hatte. Die eigentümliche Contractheit von Chwostik’s Erscheinung ließ gleichsam das Alter nirgends recht angreifen, es bot sich keine Gelegenheit dazu. Chwostik war selbst eine Art Runzel – aber eine liebenswürdige – und was sollte sich da also runzeln? Pēpi schien wie aus einem unverweslichen Stoffe gemacht.
Als Milohnić nach seinem Stadtbummel bei der Wollzeile wieder auf den Ring kam, stieg er in die Straßenbahn. Der Wagen bog bald von der breiten Ringstraße weg und fuhr gegen den Prater zu. Diese Gegend der Stadt fiel weiträumig und öde in ihre besonnten Fernen, glitzerte nicht mit hundert Einzelheiten, wie die schmäleren Gassen im Zentrum. Nun glitt man auf die Brücke hinaus und über den Fluß. Jenseits schien bereits der Prater zu herrschen, obwohl da zunächst noch Häuser standen, aber es war, als endeten erst hier die Auen ganz, als liefen sie noch zwischen die Häuser hinein und bis an den Fluß, der zwischen den grünen Bändern seiner Uferböschungen dahinbog. Genau an der Grenze der weiten Wiesen verließ Milo den Zug und ging im Blätterschatten die Prinzenallee entlang gegen die Villa Clayton zu.
,S ie ist fast so dumm, wie irgendeine Harbach-Pipsi. Wie war das? „Ich kann doch kein Liebesverhältnis mit einem Gymnasiasten haben!“ Gans! Und ob sie könnte! Besser wie ihre Dummheiten, die sie jetzt mit dem Radinger anfängt, mit diesem „Schlafwagen-Gent“! Da kann noch ein schöner Skandal herauskommen. So ein netter Kerl, der Kleine da, sogar hübsch und elegant! Der schweigt natürlich wie ein Grab. Läßt sie den armen Buben einfach stehn! Das muß doch schrecklich sein für ihn. Vielleicht sehnt er sich nach ihr.‘
So etwa lief ein innerer Monolog des Fräulein Ing. Monica Bachler hin, während sie neben Zdenko von Chlamtatsch über den kurzgeschnittenen Rasen vor der Terrasse ging. Die Sonne hatte ihn längst getrocknet. Im Garten der Claytons, fast war es ja ein kleiner Park, hielt man sich nicht an gekieste Wege, deren es kaum welche gab, sondern man trat auf den Rasen. Da und dort spazierte man darauf herum, nach dem Tee in der Halle. Rückwärts ragten die hohen Pfosten um den noch etwas feuchten Tennisplatz; der Hausmeister Broubek hatte, mit Hilfe des Dieners, alle Fangnetze wieder abgenommen, da diese im nassen Zustand sich zu sehr gespannt hätten. Das Grün des Rasens leuchtete scharf. Nach den Regengüssen der letzten trüben Tage und der seit heute am Morgen prall scheinenden Sonne dunstete der Prater allenthalben mit frisch aufgerichtetem Gewächs unter dem blauen Himmel.
Monica, seit gestern wie mit dem Knüppel erschlagen, war hier bereits in ein neues Leben übergetreten. Innerhalb von diesem hatte es nichts mehr zu bedeuten, daß, ein paar Schritte von Zdenko und ihr entfernt, Donald mit zwei Pipsis plauderte. Er war ihr hier ganz neu begegnet, neuerlich zum ersten Mal, ja, ein Donald ohne den trübenden und trennenden Schleier, der sie stets gequält hatte, ein Donald, der wirklich anwesend war, der lebte, teilnahm, sich bewegte: es war Robert.
Zunächst wich sie in natürlicher Weise zurück vor diesem breitschlagenden Ereignis, das hier im Park der Claytons auf sie gewartet hatte. Und dabei wurde ihr sogleich die freundliche Runzel Chwostik zur Stütze. Mit ihm hatte sie schon beim Tee eine Unterhaltung begonnen und mit Staunen bemerkt, welche angenehme Art des Fragens ihm eignete, so daß sie ihm sehr lebhaft die Anfangs-Schwierigkeiten bei der Errichtung der Wiener Filiale genau geschildert hatte. Und nun ging sie hier auf dem Rasen mit diesem lieben Zdenko und war dermaßen wieder zum Leben erwacht, daß sie ernstlich wünschte, auf irgend eine indirekte Art heraus zu kriegen, wie es dem armen Buben da in bezug auf die autokratische Gans gehe. Rückwärts, bei der Terrasse, sie konnte ihn jetzt nicht sehen, stand Robert Clayton. Sie hörte ihn lachen.
Monica ging weiter auf dem Rasen, mit dem Zdenko ihrer Freundin Henriette, bis in die Tiefe des Parks. Hier stand ein alter Riese von Praterbaum. Den Zdenko heute besichtigen zu können, war von ihr erwartet worden. Denn vor acht Tagen schon hatte der Gymnasiast Heinrich, neben anderen kleinen Schul-Anekdoten, am elterlichen Mittagstische erwähnt, daß drei seiner Mitschüler – darunter jener, der vor einiger Zeit am Sonntagnachmittag mit ihm experimentiert habe – bei einem englischen Fabrikanten namens Clayton in dessen Pratervilla eingeladen seien (offenbare Redseligkeit des M.C., na, es war
Weitere Kostenlose Bücher