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Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj Kostenlos Bücher Online Lesen
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Haustor auf. Erst hintnach packte ihn der Schreck, wegen der doch immer noch möglichen Wewerka, sie war ihm vorher garnicht eingefallen. Aber hier herrschte jetzt offenbar ein neues Regime – sei’s von der gebrechlich gewordenen Wewerka, sei’s von ihrer Nachfolgerin eingeführt (wir lehnen es ab, das zu untersuchen) – mit Ablösung des Sperrgeldes und Ausfolgung des Torschlüssels an Nicht-Passantinnen.
    So stieg er hinter breiten Hüften die Treppe hinauf. Und plötzlich schien ihm für einen Augenblick, daß er doch im richtigen Zuge saß.
    Würden sie seine einstmalige Wohnung betreten?
    Schon wandten am ersten Treppenabsatze die breiten Hüften sich dorthin, der Schlüssel schlich in’s Schloß. Jetzt, nach einunddreißig Jahren, vermeinte Chwostik noch den Lampendunst im unveränderten Vorzimmer zu spüren, obgleich hier nun eine schwache elektrische Birne brannte.
    Nach rechts wandte sie sich, in’s Schlafzimmer seiner Eltern, das gegen die Gasse zu lag. Das Licht sprang an. Der Diwan bleckte weiß bedeckt. Er gab ihr, wie üblich, gleich das Geld, doppelt so viel als sie gefordert, um Ruhe zu haben und Raum zu schaffen für diese Lage, die ihn da überkommen hatte, die ihm da von dem heute begegneten Münsterer vermacht worden war. Denn so empfand er’s.
    Chwostik saß auf einem Stuhl nieder. Sie zog sich gleich aus, schnell und ganz, offenbar freundlich gestimmt durch das gedoppelte Honorar, und eh’ er sie noch hindern und ihr abwinken konnte.
    Chwostik sah nicht hin, sondern auf den Fuß des einen Bettes, das hier stand, zugedeckt und nur der Form halber, weil das eben zu einem Zimmer gehörte; aber die Hauptsache blieb der praktikable, mit einem frischen Leintuch bespannte Diwan. Er schaute auf den Bettfuß, ohne zu wissen freilich und ohne auch darüber nachzudenken, ob dies nun einst das Bett seines Vaters oder das seiner Mutter gewesen war. Wie immer: unter diesem Bette und gleichsam um seinen Fuß sich schlingend kam die stärkste und tiefste Freude hervor, die er in seinem ganzen Leben empfunden, die kleine Eisenbahn, das einzige kostbare Spielzeug, das er als Knabe besessen und sorglich gehütet, als Erwachsener bis heute bewahrt hatte: noch befand es sich komplett und unbeschädigt in seinem gewaltigen starken Pappkarton, für die Lokomotive und den Tender ein Fach, für jeden der Waggons eines, und das größte für die Schienen. Jetzt sah er den Zug unter dem Bette hervorkommen, jetzt außen um den Bettfuß herumfahren – die eilfertig mit ihren blitzenden Pleuelstangen arbeitende Maschine, und dann Waggon nach Waggon – und nun schon in der Dunkelheit unter dem Bette verschwinden: um geheimnisvoll wiederzukehren, weil ja ein Teil des Schienenkreises, darauf der Zug lief, unsichtbar blieb.
    Das alles dauerte freilich nur Sekunden. Die Erregung blieb ihm dabei durchaus nicht fern, und jetzt hob er den Blick, und sah auf die Nackte, die geduldig und gefällig hier stand, drall und weiß. Sie lächelte. Und Chwostik war kein verstiegener Mensch. Wozu war er denn schon hier? Er entkleidete seine Wurzelhaftigkeit. Dann vergaß er keiner Vorsicht. Als sie auf dem Diwan sich zurücklegte, empfand er echte Freude, und doch bei allem immer im Ohr das Surren des Uhrwerks, die hellen schleifenden Geräusche der kleinen Eisenbahn, die unermüdlich lief, unter dem Bett hervor, um den Bettfuß herum, und wieder im Dunkel verschwindend.
    A uf der Straße. Ihm war nicht ganz nach einem falschen Zug zumute, obwohl doch dies nun passiert war, und im einstmaligen Schlafzimmer seiner Eltern.
    Hunger meldete sich, Alarm in der Magengrube, Schwäche in den Knieen. Viele Stunden war es her, seit sie mit dem Postmeister Kaffee getrunken hatten. Chwostik betrat das Beisl. Hier herrschte Fülle der Gestalten, mancherlei Disput, frische nahrhafte Gerüche waren zu spüren, die ganze Speiskarte entlang, deren Scala noch fast lückenlos stand. Nun gut so. Chwostik staunte über sein eigenes Wohlbefinden. Er hätt’ es im Grunde anders erwartet, nach solcher Entgleisung, oder mindestens Zugsverwechslung mit falschem Einsteigen. Dann der Heimweg durch die fast laue Luft dieser Gassen. Diesmal ging er nicht vorbei an seinem Haustor. Vordem aber war er ohne im geringsten zu zögern weitergeschritten, von der Ecke kommend, wo Clayton’s Wagen gehalten hatte; der dann davongerollt war. Gegen die Brücke. Gegen das leere Haus zu. Donald in England. Es war alles entschieden.
    Chwostik stieg durch das erleuchtete

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