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Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj Kostenlos Bücher Online Lesen
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Treppenhaus. Sehr leise sperrte er auf – warum eigentlich? Warum schlich sein Schlüssel geradezu in’s Schloß? Er fragte sich das selbst, aber das war wie ein Zwang gewesen! – und als der Türflügel nun sich ebenso lautlos öffnete, sah Chwostik sein hübsches Vorzimmer befremdlicherweise hell erleuchtet.
    Er hatte das Licht brennen lassen!
    Noch immer leise wie eine Maus drückte er die Türe zu und wandte sich dann erst in den Raum.
    Dabei erhielt er einen richtigen Schlag von Schreck.
    Linker Hand, gegenüber dem Garderobe-Spiegel, in einem weißlackierten Armsessel, welcher noch von der Frau Rita Bachler stammte, saß jemand.
    Nicht sogleich erkannte er die Wenidoppler. Wohl aber wurde ihm hintennach bewußt, daß er sie schon beim Aufsperren der Türe gespürt hatte, durch die Nase nämlich. Jedoch keineswegs in gewohnter Weise an jenem Hausmeistergeruch (foetor conciergicus), den sie sonst immer mitbrachte.
    Sondern es roch nach Maiglöckchenparfum im Vorzimmer.
    Die Wenidoppler schlief. Sie hatte immer ordinär ausgesehen, schon in ihrer Jugend, es hierin aber in ihren reifen Jahren noch beträchtlich weiter gebracht (wie’s denn meistens geht). Sie erschien Chwostik sofort, wie sie da saß, ,geschneckerlt und aufgemascherlt‘, (so sagt man zu Wien heute noch), also hergerichtet.
    Sie schlief. Sie war noch immer eine hübsche, stattliche Frau, die Wenidoppler, mochte ihr gleich alltags die Gemeinheit allenthalben aus den öden Fensterhöhlen schauen, die ohne jeden Rest vom Spiegelglanze der Jugend waren und das Innere sehen ließen wie bei einer Brandruine. Nein, sie war nicht unhübsch, und heute sauber dazu. Der Kopf – er war nach links gesunken und das Gesicht von Chwostik halb abgewandt – zeigte sich wohl frisiert (geschneckerlt). Sie trug einen weiten, geblümten Schlafrock, der sich zum Teil geöffnet hatte; besonders die Wirkungs-Sphäre ihres gewaltigen Busens gab er zur Hälfte frei, und was hier erahnbar wurde, da sie nicht nach vorne zusammengesunken, sondern weit zurückgelehnt saß, war von einem blütenfrischen weißen Nachthemde bespannt. Die bei auseinander fallenden Knieen weg gestreckten Füße staken in blauen Pantöffelchen.
    Eben zog sich Chwostik mit diesen empfangenen Eindrücken wieder auf sein sicheres Terrain zurück – dessen völlige Sicherheit er allerdings nur einer Zugsverwechslung verdankte – als die Wenidoppler erwachte.
    Sie drehte langsam den Kopf herüber, dann riß sie die Augen auf und erhob sich rasch, den Schlafrock über der Brust zusammenziehend. Ihre Arme blieben vor dem Busen gekreuzt. Sie lächelte. Dieses Lächeln verglaste für Augenblicke wieder ihre leeren Fensterhöhlen, so daß sie spiegelten wie einst, und man nicht in’s Innere sehen konnte.
    „Gottseidank, daß Sie da sind, Herr Direktor“, sagte die Wenidoppler. „Ich wollt nicht früher schlafen gehen. Mein Mann hat heut Nachtdienst. Ich hab mir solche Sorgen gemacht. Man liest doch immer wieder von so einem Touristen-Unglück auf der Rax, und ich denk mir, vielleicht hat der Herr Direktor die englischen Herrschaften über einen Klettersteig geführt, und es ist was passiert. Ich war so unruhig, allein in der Wohnung, weil mein Mann heut Nachtdienst hat, der kommt erst in der Früh von der Zeitung. Denk ich mir: gehst hinauf, beim Herrn Direktor die Metallsachen putzen am Rauchtisch, und das Messingbett, und wartest, bis der Herr Direktor kommt. So bin ich dann hier im Vorzimmer eingeschlafen.“
    Ein Bild treuer Besorgtheit. Er machte sich selbst nichts vor, der Chwostik, unser Old-Pēpi. Sie sah wirklich nett aus, wie sie da vor ihm stand, mit frisch verglasten Fenstern. Ihre Augen waren jetzt geradezu blank. ,Eigentlich hab’ ich’s ja doch mit der reiferen Weiblichkeit. Die Monica war mir noch zu jung‘, so dachte Chwostik, und wurde sich ganz schonungslos klar über die kaum zu vermeidende Gefahr, welche hier auf ihn gewartet hätte, wäre er nicht eben vordem in einen falschen Zug gestiegen, der sich jetzt doch und endgültig als der richtige erwies. Führung und Geleit von seiten Münsterer’s. Als gelernter Wiener schauderte Chwostik durch Augenblicke ernstlich vor den unabsehbaren Komplikationen, die ein Verhältnis mit der Hausmeisterin nach sich gezogen hätte – denn gerade das gehörte zu jenen Dingen, von denen einer unbedingt die Finger lassen muß, ganz ebenso wie etwa vom Unterschreiben eines Wechsels als Privatmann oder der Übernahme einer finanziellen

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