Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
hier zum Steuerakt noch fehlten: sämtliche detaillierte Facturen nämlich über die in England gekauften und nach Österreich importierten Maschinensätze und Werkzeuge samt den Begleitpapieren und den zollamtlichen Freigaben und Quittungen. Es war nicht möglich, dies einem Bureaudiener anzuvertrauen. Chwostik ging langsam. Eben die Sache, welche er hier sorglich unter dem Arm trug, lag ihm auch im Kopfe. In der Mitte der Brücke blieb er sogar für ein paar Augenblicke stehen und sah über das Geländer in das grünliche rasch ziehende Wasser hinunter. Tat man so, dann schien durch Sekunden die ganze Brücke sich wie eine breite Bühne stromauf zu bewegen. Chwostik kannte das aus seiner Bubenzeit. Er verließ jetzt die Brücke und wandte sich nach links, stromaufwärts, die Lände entlang.
    Diese war hier zum großen Teil noch unverbaut. Gegen den Prater zu zeigten sich rechter Hand Türmchen und Giebeldächer von Villen. Erst näher an der Eisenbahnbrücke begannen wieder Häuserzeilen. Als Chwostik die Nummer gefunden hatte, suchte er im Hausflur auf dem sogenannten, Tableau‘ den Namen des Dr. Eptinger und fand ihn. Das Haustor stand mit beiden Flügeln offen. Man sah auf den Donaukanal hinaus. Das Geöffnetsein des Himmels über dem Wasser schien mit seinem sehr vielen Lichte das Haus gleichsam zurückzudrängen.
    Ein Stubenmädchen öffnete Chwostik. Gleich kam der kleine spitzbärtige Rechtsanwalt heraus, durch eine Tür mit Milchglasscheiben, und bat Chwostik, hier einzutreten. Das Zimmer hatte zwei große Fenster gegen das Wasser. Es war sehr hell und schien vollgeräumt mit lauter repräsentativen Dingen: ein mächtiger Schreibtisch, Fauteuils, eine Vitrine mit Nippes, ein breiter Diwan. Chwostik sah durch einige Augenblicke – nicht bei den Fenstern hinaus, sondern eigentlich in ein drittes Fenster, das sich zwischen den beiden auf den Donaukanal sehenden jetzt öffnete. Es war ein Bild. An einem Tischlein saß im blauen Kleide mit bloßen Beinen und kurzen Socken ein etwa zehn – bis zwölfjähriges Mädchen. Das Bild war groß, lebensgroß. Es schlug für Chwostik eine viereckige blaue Vertiefung in die Wand. Das Kind sah ihn daraus an. Der Doctor Eptinger rückte einen Stuhl zurecht, das Stubenmädchen erschien mit zwei Gläsern Malaga auf einem Tablett. Chwostik mußte von dem Bilde halb abgewendet Platz nehmen, er sah es jetzt nur mehr aus dem Augenwinkel, linker Hand.
    Es behinderte Chwostik, daß Dr. Eptinger, sozusagen unauffällig, seinen Anzug betrachtete: schon im Vorzimmer war das der Fall gewesen. Vielleicht hatten auch andere Leute die Schäbigkeit dieses Anzuges beobachtet: genug, Chwostik spürte es hier und heute zum ersten Mal.
    Er nahm die zum Steuerakt gehörenden Stücke und legte sie vor sich auf das runde Tischchen. Dabei kam ihm ein Einfall: er konnte die leere Ledertasche auch nach links ablegen, auf eine Art Etagere, die hier stand. Dabei würde er für einige Augenblicke das Bild sehen. Wieder blickte ihn das Kind an. Es waren die Augen einer erwachsenen Person. Sie lagen sogar wie in kleinen Hängematten oder Täschchen, jedenfalls war unter den Augen etwas Dickliches.
    „Sie wohnen doch hier in der Gegend, Herr Chwostik ?“ sagte Eptinger.
    „Ja, drüben, auf der anderen Seite“, (des Donaukanales, meinte er), „in der Adamsgasse. Aber zufrieden bin ich dort nicht“, fügte er nach. Es kam plötzlich hervor, als hätten Lippen und Zunge diesen Satz ganz allein gesprochen, ohne Chwostik. Obendrein fühlte dieser deutlich, daß er mit jener letzten Bemerkung eigentlich nur auf die früher erfolgte Musterung seines Anzuges geantwortet hatte.
    „Hm“, sagte der Doctor, „das kann ich mir denken. Eine schöne Gegend ist das ja nicht.“ Er blickte jetzt an Chwostik vorbei nach rechts, auf jenes Bild, das seine um einiges jüngere Schwester, jetzt Gattin des Zahnarztes Dr. Bachler, als Kind in einem blauen Kleidchen darstellte.
    Chwostik dachte an Milo: und daß der ganz recht habe. Sowohl hinsichtlich des Anzuges wie der Wohnung. Vielleicht war es jetzt zu spät.
    „Herr Chwostik“, sagte Dr. Eptinger, „ich möchte Ihnen bei dieser Gelegenheit hier auch etwas Privates sagen. Wir werden dann gleich unsere Sachen besprechen“ (er wies auf die am Tisch liegenden Papiere), „aber der Wink, den ich Ihnen zu geben habe, könnte für Sie von Interesse sein.“
    Jetzt kommt es, dachte Chwostik. Links hinter ihm blaute das Bild, das neue Fenster. Plötzlich wieder – es

Weitere Kostenlose Bücher