Die Wasserfälle von Slunj
dort seine Worte ab. Und weil Gergelffi überhaupt nichts mehr entgegnete, setzte er mit Entschiedenheit hinzu: „Sie ist der einzige Mensch, der Verständnis und Liebe für mich bewiesen hat.“
„Joi, joi, joi, joi“, begann Tibor zu winseln und wand sich dabei. „Dich hat man die Katz’ im Sack kaufen lassen, und jetzt möchtest noch einen Hasen draus machen. Und weißt’, László, was das Verständnis betrifft, gar so schwer zu verstehen bist ja nicht, das Ganze ist doch einfach wie ein paar Watschen.“
Tibor schwieg. (Seine Gekränktheit war ihm nun doch anzumerken.)
Immerhin: László hatte den Bukarester Oheim erwähnt.
Er war also schon mit Fluchtgedanken umgegangen.
Sie erschienen Gergelffi als das einzig Vernünftige. Jeder andere Versuch einer Lösung der Lage mußte Theorie bleiben oder überhaupt Phantasterei, wie dieser Bocksprung eben jetzt, mit der ,Eroberung‘ Margot’s. Tibor verehrte sie übrigens, ihrer Haltung wegen. Aber jedesmal, wenn er sie irgendwo zu sehen bekam, vereiste ihn geradezu ihre vollständig geschlossene Unzugänglichkeit, in welche sie sich zurückgezogen hatte. Es war dies grauenvoll und unvorstellbar, wie ein erloschenes Gestirn etwa, das da im leeren Raum schwebte. László schwatzte doch Unsinn. Wo sollte es hier Liebe, wo Verständnis geben? Neben der Verzweiflung kann man nicht leben. So dachte er. Und eben jetzt.
Die Zeiten waren vorbei, da László sich betäubt hatte. Keine Primgeiger mehr. Keine Primgeigerinnen. Auch die Flaschen blieben schon stehen. Zum Beispiel gleich die hier auf dem Tische, mit dem roten Ofener. Nur Gergelffi trank ihn eigentlich, und bedachtsam. Alles das war unheimlich: als bereite sich etwas vor. Er hätte László lieber saufen und excedieren gesehen. Was er im Grunde am meisten fürchtete, war irgendeine Art zweiter Choc für Putnik. Tibor hatte den ersten miterlebt: Entsetzen, Wut, Entwürdigung im Ringkampf mit Hochachtung und Zärtlichkeit. Es durfte nicht wieder sein. Hier blieb nur die Flucht.
D och zäh und langsam begann Margot zu siegen. Ihr steinernes Wesen, das Gergelffi jedesmal vereist und erdrückt, ja, aus dem Leben hinaus gesetzt hatte, war – und das konnte Tibor nun freilich nicht wissen – daheim keineswegs mehr wirksam, sondern inzwischen gänzlich verschwunden und ausgewechselt gegen eine nun sichtbar werdende Begabung, es dem anderen Menschen bequem zu machen. Wir sagen nicht: ihn mit Liebe zu umgeben. Das ist immer zugleich schon eine Forderung. Nein: László hatte das schönste Leben zuhause, alles in allem. Sie, Margot, war wie ein Hauch. Beachtliche Leistung bei 72 Kilogramm. Kaum vorhanden, außer wenn er sie herbeizog. Ließ er sie los, dann verschwand sie. Etwa bei einem Geplauder: er sprach nicht mehr. Weg war sie. Aus dem Zimmer.
Gergelffi, der bei Margot als Saufkumpan László’s galt, war bisher nie zu dem jungen Paare hinaufgekommen. Jetzt erst, da László mehr und mehr abends daheim blieb, wurde er einmal eingeladen: und zögerte sehr, diese Einladung anzunehmen. Einen Tag hindurch erschient ihm dann fast als Gesinnungslumperei, als er’s schließlich doch tat. Er ging also zur Gegenpartei. Es war einige Zeit nach jenem Gespräch hinter dem Schwabenberge, beim Rotwein.
Sie aßen zu dritt. Margot muß angenommen haben, daß Gergelffi alles wußte. Es ging ihr offenbar darum, den Vertrauten László’s an Bord zu nehmen, so, als sollten ihre Zusammenkünfte nun hier stattfinden und der Schwerpunkt herein verlegt werden. Sie führte Tibor auch durch die weitläufige Wohnung und zeigte ihm alles. Der Garten war nicht viel breiter als das Haus, aber er lief tief nach rückwärts. Dort gab es irgendwelche marmorne Confitüren, sie schlossen diese Tiefe des Gartens ab vor einer massigen Mauer: bogenförmige Sitzbänke, von mächtigen steinernen Vasen überhöht. Man sah das von einem Gartenzimmer aus, dem eine kleine Terrasse und eine Freitreppe in’s Grüne hinab vorgelagert waren. Es gab einen Speisesaal, so könnte man fast sagen, zwei Salons, einen ausgedehnten und einen kleineren. Tibor, der jetzt den nicht ganz einfachen Grundriß der Wohnung doch schon überblickte, schloß richtig, wo das Schlafzimmer sich befinden mußte. Daß László im Gartenzimmer schlief, wußte Gergelffi längst, hatte eben jetzt auch László’s verschiedentliche Herren-Effekten dort herumliegen gesehen. Jagdgewehre hingen an der Wand. Hier war die Flügeltür auf den Altan weit offen, denn diesen schloß
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