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Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj Kostenlos Bücher Online Lesen
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hätte man die Exzesse des Herrn László eigentlich anders beurteilen müssen, tat es aber nicht, sondern hielt ihn einfach für ein Lümpchen. Von dem Choc, den der junge Mann erlitten hatte, wußte freilich niemand. Es war die jüngere Schwester der Königin von Beirut verunstaltet durch ein Brandmal von der Größe eines Handtuches, das wie ein solches um ihre Hüften herumlief. Kein Zweifel, daß sowohl die Eltern Margot Putnik’s in Paris als auch jene ,Königin‘ davon wissen mußten. Gleichwohl, die Heirat war eingeleitet worden, und solchem Roßtäuscherkniff bot sich bei einem hochehrbaren Verlöbnis keinerlei Schwierigkeit. Fernerhin schwieg man einfach. Auch im engsten Familienkreise. Zwischen ,La Reine‘, wenn sie nach Paris in die Rue du Général Beuret kam, und ihren Eltern ist niemals über diesen Umstand ein Wort gefallen, weder vor Margot’s Heirat, noch nach dieser. Hier mag man den Geist jener Zeit erkennen. Aussprachen fanden kaum jemals statt. Auch nicht zwischen Vätern und Söhnen.
    Mit der Zeit ließ dann László die Primgeigerinnen sein, und soff nur mehr still vor sich hin.
    Sie überwand besser als er. Bewußt ihrer Schuld, daß sie ihren Eltern sich nicht widersetzt hatte, blieb Margot der einzige Mensch, der den jungen Putnik tolerant beurteilte. In der Familie seiner Frau war man davon weit entfernt. Woher aber wußte man von seinem Wandel? Etwa durch Margot? Keineswegs. Aber ,La reine‘ war etwas unvermutet nach Budapest gekommen, sie hatte die Route über Konstantinopel gewählt, wo sich der bequeme Orientexpreß nach Paris bot, und die Gelegenheit, auf der Reise zu den Eltern gleich auch die Schwester zu sehen. Und hier in Budapest einigermaßen zur Unzeit einlangend, war sie sozusagen mit einem Fuß gleich in László Putnik’s Wandel getreten.
    Zudem finden sich ja immer redende Münder. Margot aber, die vordem das dichteste Schweigen bewahrt hatte, verteidigte nun ihren Mann, der es ja garnicht war.
    A ls solcher, der es ja garnicht war, saß er mit dem noch um einige Jahre jüngeren Tibor Gergelffi, ,de la même branche‘, Sohn eines Gutsverwalters in Westungarn (uns ist der Herr zufällig bekannt) vor einer csárda, wie man ungarisch eine Schenke nennt, jenseits des Schwabenberges landeinwärts. Hätten die jungen Herren noch ein kleines Stück gehen oder fahren mögen, dann wären sie zu einer der bemerkenswertesten Sammlungen römischer Altertümer in Osteuropa gelangt: solche bewohnten dort still ein abseits gelegenes kleines Museum. Nun, derartiges war ihnen gleichgültig.
    Sie saßen unter alten Bäumen, in Stille, ohne Musik, und tranken roten Ofener. Die Menschen der essensfreudigen Länder Südosteuropas verstehen sich auf dergleichen. Sie wissen immer den Ort, wohin man da geht. Aber sie wissen dort auch zu verweilen, ohne Zeit, ohne ein Ziel, an das man denkt.
    Dies der Grundbaß, die Grundierung. Es waren die praesenten Oberstimmen bei László weniger erfreulich.
    Tibor war sein einziger Vertrauter: verschwiegen bis zur Verstocktheit. Die letztere ist bei Magyaren nicht selten, sie wirkt oft schon wie die Undurchsichtigkeit und Undurchdringlichkeit des fernen Ostens; bald wieder sieht’s einfach starrsinnig her. Putnik war kein Ungar, jedenfalls kein richtiger, eher schon ein Serbe. Bei den Nationen dieses ganzen Südostens ist das Ehrgefühl oft hart, unbiegsam bis zur Gefährlichkeit. Immerhin war unser László längst kein echter mehr; sondern ein Budapester Großstadt-Pflanzl.
    „Mein Onkel ist jederzeit bereit, mich nach Bucuresti in‘s Geschäft zu nehmen“, sagte er.
    Die Abendsonne legte sich von rückwärts durch den Garten und an die verwitterte Wand des Hauses, daran ihr Schein jetzt senkrecht aufgestellt stand, das Fließende in eine rötliche Fläche verwandelt.
    „Und da bist du noch hier?!“ rief Tibor, in rhetorischer Frage und rhetorischem Erstaunen.
    „Und werde auch bleiben.“
    „Du bist, scheint es, verrückt geworden“, sagte Tibor. „Erst hat man dich in einer Falle gefangen. Deine Lage ist eine von jenen, möchte ich sagen, die es eigentlich garnicht geben darf. Du kannst nur davonrennen. Jetzt zeigt sich das Loch in die Freiheit, ja, eine offenstehende Tür. Und du willst sitzen bleiben. Pack ein, fahr nach Bucuresti und laß dich scheiden. Sogar das Gesetz wäre für dich. Bleibst du hier, hast du ausgespielt.“
    „Ich will mir Margot erobern“, sagte László und sah auf die rötlich besonnte Mauer, als zöge er von

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