Die Wasserfälle von Slunj
polyglotte Bereitwilligkeit der Stadt.
,La reine‘ verschwamm mit Hilda Harbach. Jedoch stand sie dabei nicht hinter der lila Tapete, sondern vor derselben. Bei der ,polyglotten Bereitwilligkeit‘ hatte Donald an Monica’s Englisch denken müssen.
,La reine‘ bereitete ihm Schmerz, jetzt noch. Gerade weil sie vor der Tapete stand. Wäre der lila Schleier über sie gebreitet gewesen, vielleicht hätte sie ihm gegen Monica etwas helfen können. So aber war ihre Fleischigkeit zu sehr im allseitigen Licht.
Sie hatte ihm dann bei Tische noch erzählt, daß ihre jüngere Schwester nach Budapest geheiratet habe, in die gleiche Branche (,dans la même branche‘, so wörtlich), er werde ihre Schwester wahrscheinlich kennen lernen, eine Frau Putnik (den Namen sprach sie französisch aus, etwa ,Pütnique‘).
Es war bei diesen Rückblicken hier an der Reeling – während der Hafen allmählich verschwand, die Stadt aber und die Höhen darüber für ein kurzes die gleiche Form annahmen wie bei der Ankunft, bis das Schiff auf den neuen Kurs drehte – es war hier, wo die Passagiere in langen Reihen an den weißen Geländern standen und zurückblickten (die Posaunen schwiegen bereits), daß Donald seiner Eingeschlossenheit ganz inne ward, sie sah, wie man eben eine Tatsache sieht, fast wie eine äußere, und nicht nur dumpf den Haken spürte, an welchem er hing. Jetzt erst faßte er auf, wohin er schon gelangt war, und daß in ihm ein Unbegreifliches bohrte, welches er zugleich als völlig fremd empfand. Wieder, wie einst, als jener fahle Blitz in ihm zu Augustus hinüber geschossen war (dessen Widerschein den jungen Herrn von Chlamtatsch so sehr erschreckt hatte!), fühlte er sich sinken, wußte es. Seine linke Hand griff in die Hosentasche nach den Streichhölzern, und während er auf die ausgegangene Pfeife biß, entzündete er diese neu. Dann warf er die Shagpfeife im Bogen von der Reeling und steckte das abgebrannte Streichholz in den Mund.
Man hatte sie fliegen sehen. Der Zusammenhang ward erfaßt, und etwas weiter weg gab es sogar ein Gelächter. Den Herren Chwostik und Harbach war der kleine Vorfall entgangen. Aber die Kruhlow riß in alarmierter Weise die Augen auf. Sie zeigten durch eine Sekunde den Ausdruck von jenen eines scheuenden Pferdes.
L ászló Putnik, der Neffe des zweiten Chefs jenes Bukarester Hauses, mit welchem die Claytons in Verbindung standen, war noch keine zwei Jahre verheiratet und wohnte mit seiner jungen Frau am Budapester Ligeti fásor (heute heißt diese Straße anders, sie hat seither zweimal den Namen gewechselt): einst eine zurückgezogene, stille Gegend, Häuser von eleganterer Art, mit Vorgärten gegen die Straße, oft auch ausgedehnten Gärten nach rückwärts.
Es war die jüngere Schwester von ,La reine‘, intelligenter als jene Königin im Osten, daher mit der Mama Harbach in dieser Hinsicht noch weniger vergleichbar; ansonst schon. In allem jedoch, was man, mit einem aus der Männerwelt übertragenen Ausdrucke, bei Frauen ,die Persönlichkeit‘ nennt, reichte sie an unsere Ingenieurin Monica heran.
Nun gut, aber ihre Ehe ging sofort schief. László war, nach allgemeiner Meinung, ein schwaches Früchtel. Nicht in finanzieller und commerzieller Hinsicht: hier erwies er sich stets als äußerst brauchbar. Auch Robert Clayton war von ihm rasch ein wenig eingeseift worden, bei seiner Lokomobil-Tour in Ungarn; ganz zuletzt hatte er sich noch was abhandeln lassen, und kein Chwostik war dagewesen, es zu verhindern, und kein Donald, um mit einem einzigen Griffe darzutun, daß ein angeblich vorhandener, wenn auch geringfügiger, technischer Fehler gar-nicht bestand. Vater Robert, im Geiste schon vorauseilend zum Alpengasthof am Preiner G’scheid, war eben in solchen Einzelheiten doch schon ein wenig aus der Übung, und hatte sich da nicht ganz sicher gefühlt.
Roßtäuscherkniffe bei Lokomobilen, könnte man sagen. Aber sonst war er leicht dranzukriegen, der László. Jeder Zigeunerprimas in Budapest kannte ihn, und die diversen Primgeigerinnen auf einem anderen Kunstgebiete waren ihm nicht fremd.
Und dabei dieses prachtvolle Weibs-Stück von Frau! Mancher schüttelte das Haupt angesichts von László Putnik’s Wandel, und auch in Ansehung der Art von Primgeigerinnen, von denen er sich aufspielen ließ. Sie waren keineswegs immer ansehnlich. Aber sie konnten eben geigen. Es verbreitete sich die Legende, daß Frau Putnik (Pütnique) eine absolut unmusikalische Person sei.
Danach
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