Die Wasserfälle von Slunj
unten eine vergitterte Umfassung gegen den Garten ab.
„Ich war nie bei meiner Schwester in Beirut“, antwortete sie bei Tische auf Tibor’s Frage, mit einiger Betonung und spürbarer Ablehnung, und heftete den Blick auf den weißen Damast der Tafel, auf Porzellan und Kristall. Sie hatte sich ein wenig vorgebeugt, und sprach auf den Tisch hinunter, ohne jemand anzusehen. Ihre mächtige blonde Haarkrone leuchtete unter dem obschwebenden Lüster. Um 1900 hat ein modischer Zeichner, César Helleu, einen starken formenden Einfluß auf die Pariserinnen gehabt, die er vorwiegend blond zu sehen liebte, mit mehr herzförmigen als länglichen Gesichtern, und die Augen weit auseinanderstehend. Da nun die Natur bekanntlich die Kunst nachahmt, wie Oscar Wilde uns belehrt, begannen damals immer mehr Pariserinnen so auszusehen wie Helleu sie gewollt hat; sogar bis auf den Augenabstand erstreckte sich das, und es hatte selbst Macht über Margot’s 72 Kilogramm, die von César Helleu bestimmt nicht vorgesehen waren . . . Sie war schön, Margot, geradezu schön. Gergelffi sah es klar, dachte es klar, und mit Staunen.
Nein, so leicht war es da nicht, nach Bucuresti zu gelangen. Jetzt erst erreichte ihn, jetzt zeigte sich ihm das Gewicht der Sachen, der ganze Ernst von László’s Lage.
Hätte er ,La reine‘ gekannt: der eigentliche und fundamentale Unterschied zwischen diesen beiden Frauen und Schwestern wäre ihm so recht in’s Gesicht gesprungen. Dort ein fleischlicher Prunk, allseitig in’s Licht strahlend vorgestoßen. Hier Verschleierung, Verhüllung, ein schräger Blick, ein unbestimmtes Geschau, ein Wesen wie hinter fließendem Wasser.
Noch mehr empfand er das später, als sie im kleineren Salon beim türkischen Kaffee saßen. Auch hier gab es, auf blanker Messingstange, einen jener breiten Lampenschirme, tief herab reichend, in violetter Farbe; nach unten war im Innern das Licht auch noch gedämpft, ebenfalls violett, nicht etwa mit weißem Tüll oder dergleichen, wie man’s auch heute noch hat. Eine vorteilhafte Beleuchtung konnte man das nun wirklich nicht nennen, im Hinblick auf eine schöne Frau. Aber sie saß hinter dieser gleichsam an sie gelehnten lila Lichtwand wie hinter einem zarten Gewebe, und so gleichsam in einer nur mittelbaren Gegenwart.
Tibor, der ihrer Schönheit gegenüber keiner Entzückung unterlag – seine Gustos bewegten sich allzusehr auf ganz anderen Bahnen! (noch dazu jetzt erst recht, wie wir bald erfahren werden!) – rang geradezu darum, sie deutlich zu sehen und zu umfassen, von ihr zu wissen und sie zu erforschen, immer dabei begleitet vom Gefühle der Vergeblichkeit jeder solchen Bemühung.
Im übrigen war der Kontakt gut, und der Abend verlief harmonisch, wie man zu sagen pflegt. Es war nicht schwer mit Margot. Sie gehörte keineswegs zu jenen Klötzen von Menschen, die daliegen und erwarten, daß man sie bewege, ohne dazu auch nur den geringsten Handgriff zu bieten ... Sie selbst bewegte, und zwar diese beiden schlanken und zartgebauten jungen Männer um sich herum, wie Satelliten um eine Zentralsonne. Erstaunlich, was ihr da gelang! Nicht zu Unrecht haben wir sie mit unserer Ingenieurin verglichen, im Range sozusagen. Von Bildung und Wissen strotzten weder Putnik noch Gergelffi, und der letztere war froh, halbwegs im Französischen mitzukommen. Denn Margot sagte, ihr Ungarisch lange bis jetzt nur für den praktischen Hausgebrauch. Sie war eifrig dabei, es zu vervollkommnen; aber in Gesellschaft wollte sie Ungarisch noch nicht sprechen. Sie tat gut daran. Das Magyarische ist eine durchaus dichterische Sprache und daher besonders empfindlich gegen falsche Intonationen oder einen hölzern-schulgrammatischen Gebrauch. Um Ungarisch zu können, muß man entweder ein geborener Magyare sein oder ein Sprachgenie.
Doch einmal sprach sie ungarisch – und eben von da ab geschah‘s, daß sie die beiden Burschen zu Trabanten machte.
Ihnen war es nie der Mühe wert gewesen, etwa das Stück von der csárda hinterm Schwabenberge noch zurückzulegen bis zu jenem einsamen Museum der römischen Altertümer. Margot kannte es längst. Sie war lange genug allein gewesen und unglücklich, um Schätze zu finden, an welchen die Glücklichen unbeseelt vorbeitaumeln: glücklich auch im Unglück, weil ein zweiter, ein vertrauter Mensch da ist, die Ansprache, der Wein. Margot’s Freundin Irma, aus dem reichen Hause der Russow, wohin sie durch Putnik gleich in der ersten Zeit ihrer Ehe gekommen war,
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