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Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj Kostenlos Bücher Online Lesen
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In jener seltsamen Überhöhung, die Margot heute abend gewonnen hatte, über László, über ihn selbst, über sie beide. Dies galt es wegzuräumen, abzuräumen!
    Eine solche Absicht hing gleichsam schwer über ihm, doch ohne irgend ein denkbares Mittel, sie zu verwirklichen. Jetzt wünschte er sich eine Tasse Kaffee, den Wein zu vertreiben. So lebhaft, ja, geradezu genau war in diesem Tibor Gergelffi die Beschäftigung mit dem Schicksals-Inventar eines anderen Menschen, daß sie ihn jeder Schläfrigkeit und Trägheit entriß! Wir erblicken hierin seine entscheidende Qualität.
    Dunkel überhangen von dem, was er dachte, was er gegen Margot dachte, sah Gergelffi auf. Er war bei einem Monument stehen geblieben, das etwas zurückgesetzt von dem breiten Boulevard sich befand und einen Mann zeigte, der sein Gesicht hinter dem vorgehaltenen Mantel verborgen hielt: der anonyme Chronist König Bela’s IV., ein ungarischer Geschichtsschreiber des dreizehnten Jahrhunderts.
    D ie Tante Ada Vuković hörte in Wien plötzlich zu stiefeln auf und saß fest: nämlich im ,Imperial‘, in ihrem Zimmer. Größte Besorgtheit der Chlamtatschs. Aber ihr Hausarzt, der Doctor Felix Gewinner, sogleich dorthin gebeten, sagte – nachdem er auch noch einen Neurologen beigezogen – es sei eigentlich rein garnichts. Eine Lumbago, ein ,Hexenschuß‘, wie man’s nennt. Die gute Tante renne zuviel herum, sei das rasche und viele Gehen auf dem harten Pflaster nicht gewohnt, obendrein schwitze sie dabei, und habe sich wahrscheinlich verkühlt. Wenn sie nur wieder halbwegs sich bewegen könne – was die verschriebenen Einreibungen bald zuwege bringen würden – dann möge sie heim auf’s Land fahren, und alles käme dort von selbst in Ordnung.
    So geschah’s denn auch später. Aber für’s Reisen war sie noch etwas unbehilflich. Sie mußte begleitet werden. So weit ging nun die Erbschleicherei der Chlamtatschs doch wieder nicht. Zudem wäre die schmächtige Eugenie kaum im Stande gewesen, das gewichtige Frauenzimmer zu manövrieren, heißt das, ihr etwa die nötigen Hilfen beim Erklettern einer Waggontreppe zu geben. Und der Sektionschef saß sogleich im Amte ganz unabkömmlich fest. Es kam die Sache an Zdenko, bei dem die Pfingstferien heran nahten. Er war’s gleich zufrieden. So konnte das Terrain für den Sommer recognosciert werden.
    Als er dann zu Pfingsten mit der Tante über den Semmering fuhr (in Wien hatten beim Einwaggonieren selbstverständlich die Eltern samt Stubenmädchen mitgeholfen) wünschte die Frau von Vuković sich in den Speisewagen zu begeben, was übrigens ohne besondere Mühe bewerkstelligt ward. Dort, nach einem ausgiebigen Essen, zu welchem sie eine Flasche Rotwein fast allein ausgetrunken hatte, bestellte sie beim schwarzen Kaffee mehrere große Cognacs, von denen auch Zdenko einen bezwingen mußte.
    Kurz, er sah, daß sie soff; und verstand damit ihre Beschwerden etwas besser. Man wird Cognac kaum als ein Anti-Rheumaticum bezeichnen können. Sie hatte es in Gegenwart der Eltern so gewissenhaft vielleicht nicht gebraucht, und die Ärzte hatten sich wohl diskret verhalten. Nun aber schien es der Tante Ada sozusagen zu dumm geworden zu sein, und sie setzte wieder einmal ordentlich einen drauf.
    Zdenko berührte dies merkwürdigerweise sympathisch. Nicht etwa, daß ihm selbst zu solchen Anti-Rheumaticis ein sonderliches Verhältnis geeignet hätte. Aber er fühlte, daß auf dieser Basis mit der Alten leichter würde auszukommen sein, ja ohne besondere Beschwernis und Inanspruchnahme durch sie. Zudem: Trinker sind immer humaner als Nicht-Trinker. Sie lassen eher mit sich reden, und wenn sie nicht mehr reden können, ist es ja noch besser.
    So schwand schon jetzt – während die besonnten Fernen und Felsen der Semmeringstrecke wechselnd in die wendenden und leicht schwankenden großen Fenster des Speisewagens fielen – eine gewisse Besorgnis dahin wegen dieser Tante, wie sie Zdenko vordem noch gehegt hatte. Und in der Tat, er sah jetzt recht: denn in Vanice blieb sie dann während der paar Tage seines Aufenthaltes fast vollends unsichtbar, und meist servierte der Diener dem jungen Herrn die Mahlzeiten allein.
    Jetzt, nachdem er sein Objekt aus dem Speisewagen wieder in’s Abteil gesteuert hatte (eine flache kleinere Reiseflasche war noch mitgenommen worden), schlief Zdenko gleichzeitig mit der Tante Ada auf seinem bequemen Polstersitze ein. Er war an einen, auch geringfügigen, Gebrauch von Anti-Rheumaticis nicht

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