Die Wasserfälle von Slunj
wogegen Chwostik, im Hinblick auf die Technik der zu führenden Verhandlungen, nichts einzuwenden hatte. Aber nun baute sich rasch zwischen ihnen neuerlich die Mauer der Unwissenheit, die nur sehr vorübergehend eingerissen worden war, einst, auf dem Wege vom Wirtshause der Maria Gründling in den Prater hinab, zunächst aber an der Paulanerkirche vorbei. Solche Mauern sind ein natürliches Wachstum, durch die Mitteilsamkeit kaum niederzuhalten und bauen sich rascher auf als man spricht.
Sie genossen die Fahrt, besonders jenen Teil, der, etwa in der Gegend von Komorn, durch längere Zeit Aussicht auf die spiegelglatt und graugrün einherziehende Riesenbreite des Stromes gewährte. Mittagessen in Györ, wo schon damals die ungarische Industrie sich breit zu machen begann, keine sehr freundliche Stadt, aber sie speisten ausgezeichnet. Von da blieben rund fünfzig Kilometer noch zu bewältigen, und man stieg gleich nach genommenem schwarzen Kaffee wieder ein.
I n Mosonszentjanos (übrigens lag ja der Gutshof erheblich weit weg von diesem Orte) hing dem Gergelffi alsbald der Himmel voller Stiefel. Sie traten schon beim festlichen Empfange in Erscheinung, denn links und rechts vom großen Hoftor – es war mit Laub und mit Bändern in den ungarischen Farben geschmückt – stand eine Gruppe junger Mädge in na tionaler Tracht: ,Das fängt ja gut an‘, dachte Tibor. Er hatte dann auch späterhin alle Hände voll zu tun.
Globusz kam entgegen, der wahre Globus von Ungarn. Seit vielen Jahren schon ritt und schwamm er eifrig, um nicht noch dicker zu werden, und solche Bestrebungen waren besonders zur Zeit seiner verwichenen Heiratspläne in den Vordergrund getreten. Seitdem war’s bei diesen förderlichen Disziplinen geblieben, förderlich auch seinem Appetitte. So ward er denn immer globaler. Man könnte sagen: nicht mehr hippopotamisch (hier gedenken wir seiner ersten Schwimmstunde!) sondern eher schon mastodontisch.
Der Vater Gergelffi wirkt neben ihm nur wie ein gespitzter Bleistift. Hinter dem Gesinde, das sich drängt, werden Finy und Feverl sichtbar.
An dieser Stelle muß zugegeben und konstatiert werden, daß uns die trojanischen Pferdchen immer wieder dahergetrabt kommen, ohngeachtet der Filzpatschen-Aktion von pagina 100. So geht’s, wenn man sich einmal eingelassen hat. Seien wir’s zufrieden, wenn uns wenigstens die Hausmeisterin Wewerka gänzlich ausbleibt, zu deren Entfernung aus der Composition allerdings auf pagina 111 bedeutende Energien aufgewandt worden sind.
J ene beiden alten Weiblein sah er denn schon wieder und überhaupt immer beisammen, Donald, und er fragte sie einmal scherzhaft, ob sie denn Zwillinge wären und wie lange sie schon miteinander lebten. „Zwillinge net“, sagte Feverl (oder war es Finy), „aber seidera fünfadreiss’g Jahr’, und mehr, san ma’ schon beisamm.“
Die Antwort drang tiefer als er selbst für’s erste verspürte, sie fiel ihm während der nächsten Tage noch mehrmals ein. Was hier erfüllt schien, hatte er verloren, was hier eine handfeste Gegenwart bildete, war für ihn Vergangenheit: eine brüderliche Heimat gleichsam, aus welcher er gefallen, die hinter ihm sich verschlossen hatte. Jetzt sah er das Haus an der Prinzenallee zu Wien wie von außen, von der Straße her. Er stand vor dem Tore des Parks. Und es war versperrt.
Schon seit den letzten Tagen in Budapest dunkelte ihm wieder die Sonnenhitze, tief und wie Stahl, und oft mit einiger Störung des Gleichgewichtes im Gehen. Er blieb, wenn möglich, gern auf seinem Zimmer, das kühl und groß war und ihn so leer anhauchte, als hätte vor ihm da niemals jemand gewohnt.
Es traf zu, wie er später hörte. Gerade dieses unter den Fremdenzimmern im neuen Hause wurde zum ersten Male benützt.
Aus den Fenstern sah man auf den See. Betrachtete man diesen, der sich weithin im Schilf und im Hitzedunkel des Horizontes verlor, so bot er viel wechselnden Anblick, wie eben alles, wenn stillere Naturen es beschauen; und mitunter genügt dazu eines Hausmeisters Hof mit begossenen Gewächsen. Donald war im Grunde jetzt eine von jenen stilleren Naturen geworden, ja, eigentlich schon vor längerer Zeit: seit, an Bord ,Cobra‘, die Deutschen bei sinkendem Abend und ergrauendem Meere klarklingend geblasen hatten. Auch dieser See ergraute ähnlich. Die Vogelflüge hörten auf (einmal war die befremdliche Kragen-Gestalt eines Haubentauchers keine zwanzig Meter vom Fenster vorbeigestrichen). Das Schilf lag nicht mehr
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