Die Wasserfälle von Slunj
die Westentasche und gab dem Hausmeister ein Zweikronenstück (immer noch nannte man das damals einen ,Gulden‘). „Für den Schreck.“ Andre-bácsi ging und lachte. „Wenn die Polizei was fragen sollte, darf ich’s sagen, was los war, Euer Gnaden?“ „Na freilich“, sagte Putnik, und als der Alte verschwunden war, zu Donald: „Bleiben Sie noch fünf Minuten, Mr. Clayton, es wird besser sein.“ Sie standen vor der Tür zur Terrasse, ohne zu sprechen. Donald rauchte, gegen seine Gewohnheit, die angebotene Zigarette. Schließlich warf er sie auf den Kies hinab. Putnik hielt ihm die Hand hin, Donald nahm sie, und nachdem sie einander durch Sekunden angeblickt hatten, sagte László: „Es gibt furchtbare Dinge.“ Donald schüttelte kurz die dargebotene Hand und ging wortlos weg, den Ligeti-fasor entlang, gegen die Stadt zu, und immer weiter, dicht eingepolstert, abgetäubt, kaum hörend und sehend. Im ,Britannia‘, als er auf sein Zimmer kam, ließ er Whisky kommen, warf sich dann auf den Diwan und schlief stundenlang, wie nach einer schweren Anstrengung.
L ászló, nachdem Donald sich entfernt hatte, ging nicht etwa zu Margot hinüber, sondern zunächst zum Telephon und rief seinen Chef an, den Herrn Meszaros.
„Im Bureau ist jetzt“, so sagte er unter anderem, „alles Laufende erledigt, das Fräulein Körmendi kann Ihnen sämtliche Sachen zur Unterschrift vorlegen. Es wäre der geeignete Moment, nach Bukarest zu fahren, weil ich derzeit keinerlei Rückstände habe.“
„Bravo!“ muschelte Meszaros am anderen Ende, „also los, los! Am besten noch heute!“
„Gut, dann fahr’ ich heut’ in der Nacht.“
Alle waren sie hier eigentlich recht vernünftige Leute, und bis in ihre Csárdás-Stiefel hinein.
Dann den Tibor: er käme zu ihm. Schon mit dem Koffer. Endlich zu Margot hinüber. Sie trug jetzt einen Schlafrock.
„Sagst du nichts?!“ – „Fragst du nichts?!“ – „Nicht einmal, wenn geschossen wird?!“
„Nein“, entgegnete sie ruhig. „Weil es mir gleichgültig ist. Meinetwegen bringt euch alle gegenseitig um.“
U no cum nuda coitus praesumitur, sagt das römische Recht. Juristisch lag hier glatter Ehebruch vor. Aber László war anständig genug, sein besseres Wissen nicht zu verleugnen, überdies heilfroh in Bukarest und allem entronnen zu sein. Er hat für seine gewesene Frau nobel gesorgt. Zudem war sie von Haus aus wohlhabend.
Sie blieb in Budapest. Sie hat noch durch viele Jahre ein Verhältnis mit dem Feldwebel Illek im Museum gehabt, der späterhin dort Offizial wurde, also ein Kanzleibeamter, und seinerseits wieder einen Diener unterstellt bekam. Doch blieb Illek im Museum wohnen, und die Gepflogenheiten unseres Paares wurden nicht gestört. Es ist dies schon die dritte Liebes-Konserve – nach jener ersten, welche Rita Bachler und der Landesgerichtsrat Keibl etabliert hatten, und der Ergoletti’schen – die uns im Laufe dieser Erzählung begegnet. Gerade die wichtigsten Sachen im Leben trennt der Mensch gerne von diesem ab. Auch Donald ist ständig in seinem Fauteuil an Monica vorbei-gesessen.
N achdem Flucht No. 1 (nach Bucuresti) gemäß Gergelffi-Plan vollzogen war, erfolgte bald auch Flucht No. 2 (nach Moson). Jedoch hatte vorher noch Tibor seinen Sonntag in Stiefeln, eigentlich zwischen Stiefeln, sollte man sagen, denn er selbst trug ja dabei garkeine.
Flucht No. 2 vollzog sich in comfortabelsten, honettesten und jovialsten Formen. Vor das Hotel ,Britannia‘ rollte ein enormes Automobil, ein rechter Kasten, würden wir heute sagen, aber er war breit und bequem, so daß drei Personen gut im Fond Platz hatten, während Gergelffi vorne neben dem Chauffeur saß. Das Gepäck zum großen Teil am Dache. Über die Margaretenbrücke hinaus und dann im ganzen nach Nordwesten durch das hier hügelige, fast bergige ungarische Land, dessen hervorragende Straßen mitunter soviel Karrengeleise und andere Hervorragungen hatten, daß unsere leichte Runzel – sie saß in der Mitte zwischen Donald und dem Doctor Harbach – emporschnellte wie ein Fisch aus dem Bach. Auf der Reichsstraße an der Donau freilich ging’s glatt dahin.
Chwostik – dem übrigens was Vages von einem gefallenen Schusse zu Ohren gekommen war! – hat natürlich angenommen, daß Donald bei der Frau Putnik entweder abgeblitzt oder aber mit ihr erwischt worden sei. Für beides konnte die offenbar teilnahmslose Verfassung des Juniorchefs sprechen, der wieder ganz zum Briefbeschwerer geworden schien,
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