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Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj Kostenlos Bücher Online Lesen
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ging sogleich an Bord der ,Rohrschach‘, die sein Vater befehligte. Das Schiff lag, weiß und mächtig hoch, am Landungs-Steg in der strahlenden Herbst-Sonne. Der Alte kam ihm über das Deck entgegen, braun und breitschultrig, in seiner blauen Jacke, und umarmte den Sohn. Milo erhielt eine Kabine und fuhr zwei Tage mit seinem Vater. Sie sprachen nur kroatisch miteinander. „Mein lieber Sohn“, sagte der Kapitän, „wenn deine Mutter seelig noch gelebt hätt’, ich wär’ vielleicht nicht hierher gegangen. Aber ein Schiffmann ist ja überall daheim. Die Menschen sind hier anders als bei uns dort unten. Jeder wie eine aufgeklarte Koje. Singen tun sie nur, wenn zwanzig oder dreißig beisammen sind; einer allein läßt sich das nicht einfallen; und so ein langes Lied, wie die Geschichte vom Vuk Branković, würde sich keiner merken. Für meine Draga wär’s nichts gewesen. Nächstes Jahr mach’ ich einmal Urlaub und fahr’ heim, setz’ mich unten vor dem Haus in die Klippen und fisch’. Das Segelboot hab’ ich übrigens jetzt kalfatern lassen, der Nachbar, der kleine Italiener, hat’s gemacht; ist in Ordnung, schreibt er. Setz’ dich vorn in den Salon und trink’ einen Schnaps. Wir fahren bald.“
    Damit ging er auf die Brücke. Allmählich hatte sich das Schiff mit Passagieren gefüllt. Im Salon wurde schon Frühstück serviert. Milo verließ den Saal wieder, dessen etwas zimperliche Eleganz mit Vorhänglein und Quasten an den Fenstern ihm Unbehagen bereitete; er ging außen an den Fenstern vorbei auf den sauberen Planken des Seitenganges an der Reeling bis zum Bugspriet, dessen vorderste Spitze mit dem Ankerspill für die Passagiere durch eine weißlackierte Kette gesperrt war. Links stand ein Mann, der jetzt ein Halte-Tau an Bord zog; als Milo dort vorne angelangt war, empfand er das leise Beben von den schon laufenden Maschinen. Im selben Augenblick tutete der Dampfer zum dritten Mal und es begann ein ganz langsames Vorbeigleiten von nahen Einzelheiten am Lande und am Wasser; die Masten von Segelbooten, die hier vertäut lagen, blieben zurück. Auf der Kommandobrücke des Schiffes, die Milo jetzt zum Teil sehen konnte, als er sich umwandte, erschien für einen Augenblick der Vater, mit seiner weißen Schirm-Mütze. Vielleicht hätte es der Mutter hier doch gefallen. So sehr viel abwechslungsreicher: die Stadt dort rückwärts, die Berge, die Schiffe und Ruderboote, nicht die Brandung nur unten vor dem Haus an den Klippen. Milo sah seine Mutter jetzt vor sich. Er hatte sich wieder gegen den See gewandt, der unendlich gestreckt in die Sonne hinaus lag. Das Bugspriet schnitt in diese Fläche. Dort draußen schien das Bild seiner Mutter zu stehen. Sie war fast größer als der Vater gewesen, sehr aufgerichtet in der Haltung, langsam schreitend; die schwarzen Zöpfe hochgetürmt; Milo hatte nie mehr im Leben so große dunkle Augen gesehen, wie die seiner Mutter. Wenn Milo in den Schulferien daheim gewesen war, und es kam gerade der Vater, nach monatelanger Reise, von Konstantinopel, von Ägypten oder gar von Indien: das kleine Haus schien sich zu erweitern, es wurde zum Festsaal, und von der Mutter ging eine tiefe, dunkle, fast wilde Freude aus.
    Mittags aß er mit dem Vater in dessen Kajüte. Der Alte ehrte den Gast, öffnete vor ihm die Tür und ließ ihn vorangehen. Milo sagte zu seinem Vater noch ,Sie‘ oder eigentlich, Ihr‘.
    „Du bist weit gekommen, mein Sohn“, sagte der Kapitän, „so jung du bist. Du wirst jetzt eine große Stellung antreten. In der Fremde sollen wir nicht fremd sein. Es ist nur eine Schwäche. Man tritt in Sidney den Boden auch nicht anders als in Dubrovnik.“
    Milo sah durch das Bullauge auf die Wasserfläche hinaus. Was sein Vater da sagte, lag ihm durchaus. Jetzt fiel ihm Chwostik’s neuliche kuriose Äußerung über das Golf-Spiel ein: er nenne es bei sich das Wiesen-Billard. Daraus sprach eine verwandte Art die Sachen zu nehmen. Doch schien das bei Chwostik tiefer und sicherer zu sitzen. Er selbst hatte stets sich bestrebt – und in seinem Berufe genug Gelegenheit dazu gehabt – die Lebensformen jener Leute zu erforschen, welche für ihn die große oder die weite Welt bedeuteten, vom leicht nachlässigen Binden einer. Krawatte bis zu der Art, wie man im Lehnsessel lag oder an das Pult des Portiers trat, mit ein paar langsamen Schritten, um seinen Schlüsse] zu verlangen: dies alles wurde von Milo einzelweis vermerkt und taxiert, weil eben solches Taxieren zu

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