Die Wasserfälle von Slunj
unnatürlich empfunden werden, und das war bei Robert Clayton vielleicht noch mehr der Fall als bei der Mutter! – wirkte praktisch doch entlastend und schenkte Bewegungsfreiheit. Da zudem im Werke die Sachen sich mehr und mehr einspielten und einspurten, nahm man, nach den Verschärfungen der sozusagen epochalen ersten Jahre in Wien, frühere Gepflogenheiten wieder auf: auch Harriet war vor ihrer Verheiratung schon gerne gereist, und nun tat sie das mit ihrem Mann. Es gab Ferien in Mentone und Nizza, aber sie besuchten auch Ägypten und Griechenland; gelegentliche längere Anwesenheiten des ganz Alten ermöglichten dies noch leichter; in solchen Fällen wurde Kate Thürriegl nach England geschickt, als Aufsicht für Donald. Der ganz Alte kam allerdings in seinen letzten drei oder vier Jahren nicht mehr herüber. Keineswegs etwa, weil er krank gewesen wäre; er ist als gesunder Mann gestorben, einfach an Alters-Schwäche. Das kam bei jener Generation noch häufiger vor als später oder gar heute. Sondern der Großvater Clayton sah schließlich, daß die Dinge in Wien liefen, wie sie laufen sollten; und er war zudem garnicht gerne außerhalb Englands. Er selbst, der ganz Alte, ist es übrigens gewesen, der zu Beginn der Achtzigerjahre – obwohl er ja früher geraten hatte, damit noch zu warten! – seinem Sohne empfahl, Chwostik nunmehr zum kommerziellen Direktor zu machen, wobei sich die Erteilung der Prokura von selbst verstand.
Für Chwostik war ein anfänglich schwieriger Punkt noch durch Milo zunächst bereinigt worden: das betraf die Gewinnung geeigneter Vertreter im Südosten, sowohl solcher mit festem Sitz, als auch reisender. Milohnić, der mit vielen serbokroatischen Landsleuten hier in Wien Verbindung hielt, konnte einen jungen Maschinen-Ingenieur, namens Vincenz Wosniak, der die Hochschule eben absolviert hatte und im Begriffe war, nach Belgrad zurückzukehren, für die Sache der Claytons interessieren. Wosniak, ein aufgeweckter Bursche, zog im Südosten noch andere und ältere Leute von der Branche an sich und brachte es innerhalb eines Jahres fertig, eine zunächst hinlängliche Verkaufsorganisation in jenen wichtigen Ackerbauländern auf die Beine zu stellen. Der Export nach dem Balkan nahm zu und drang rascher und weiter vor als erwartet worden war, ja, bis in den Vorderen Orient. Schon war Robert Clayton selbst nicht nur in Sofia und Bukarest gewesen (wobei seine Frau ihn begleitete), sondern auch in Konstantinopel und Beirut. Jedoch, hier zeigte sich ein unvorhergesehener Faktor, und er ward von Clayton, der nicht eben zu Selbsttäuschungen neigte, mit hinlänglicher Klarheit erkannt: daß er nämlich sehr wohl mit Harriet, der das gefiel, im Orient herumreisen konnte, aber geschäftlich und persönlich die nötige Fühlung dort nicht gewann, ja, sogar im einen oder anderen Falle geschädigt und getäuscht worden war. Mit alledem bereitete sich eines vor, was weiterhin von großer Bedeutung werden sollte: die Reisen des Herrn Direktors Chwo-stik nämlich, höchstpersönlich. In späterer Zeit hat er dabei zu wiederholten Malen den jungen Donald mitgenommen.
Jetzt aber wuchs der kleine Donald noch in England im Hause seines Großvaters heran und besuchte zu Chifflington die öffentliche Schule. Harriets Verhalten erscheint doch merkwürdig: daß sie sich einfach den Buben hatte wegnehmen lassen, eigentlich ohne Widerstand (und hier lag der Grund, warum auch Bob, der zutiefst über seine Frau erstaunte, keinen ernstlichen Einwand erhob). Daß es ihr Wunsch war, Donald möge als Engländer in der Heimat aufwachsen, scheint begreiflich. Merkwürdig und weniger durchsichtig aber war ihr Verhältnis zum Schwiegervater überhaupt.
Diesem war Bob vollends unähnlich. Es präsentiert sich uns der ganz alte Clayton als ein kleiner, breitschultriger und in hohen Jahren noch dunkelhaariger, sehr lebhafter Herr. Conan Doyle hätte von ihm das gleiche gesagt wie von seinem berühmten Sir Henry Baskerville: daß er keltischer Herkunft sein müsse. Die schwarzen dichten Augenbrauen wurden sekundiert von Haarbüscheln in Ohr und Nase. Auffallend war sein Schädel; obgleich gedrungen doch rückwärts flach. Harriets länglicher Kopf zeigte die gleiche Eigenschaft, durch die damalige weibliche Haartracht allerdings fast verborgen; von seiner Mutter hatte der sonst dem Vater so ähnliche Donald diesen flachen Hinterkopf geerbt. Bei ihm sah man das deutlicher.
Harriet hat ihrem Schwiegervater überhaupt nie und in
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