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Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj Kostenlos Bücher Online Lesen
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Hausmeisterin wird sich nicht für die Möbeleinrichtung einer zuziehenden Mietpartei interessieren? Unsere hier aber sah hauptsächlich auf die Nachtkastln. Es waren zwei neue elegante, die zur Schlafzimmergarnitur gehörten, und ein drittes, zwar ebenfalls mit eingesenkter Marmorplatte, aber schäbig, alt: dieses also konnte es sein, vielleicht hatte die alte Eptinger es ihrer Tochter überlassen, es sah nach Dienstbotenzimmer aus, und wurde auch hier wieder in die betreffende Kammer gestellt, wobei die Wenidoppler sogar half. Dort stand es seitdem. Beim Hinauftransport hatten die Männer, obwohl das Ding schwer war, die Marmorplatte nicht abmontiert und gesondert getragen, weil es ja nur ein Stockwerk hoch ging.
    Nun also. Es konnte garnicht anders kommen als daß die Wenidoppler, nach anfänglicher Aufregung, auf das Nachtkastl und den Okrogelnik wieder völlig vergaß. Sie vermochte der Sache auch in den folgenden Jahren nicht mehr nahe zu treten. Schlüssel zur Wohnung – wie etwa jetzt beim Direktor Chwostik – besaß sie keine; und überhaupt hätte sie wegen einer solchen Dummheit nicht das Geringste riskiert.
    Dann kam der Tag, an welchem das Ehepaar Bachler in’s neue noble Heim nach Döbling übersiedelte. Oben war nun alles leer und still, und die Schlüssel hatte sie auch. Bei den Schlüsseln war noch etwas: nämlich ein genaues Verzeichnis aller stehengebliebenen Möbelstücke (der kleine wackelige Damenschreibtisch; der weiße Schwenktisch in der Küche, und so weiter, und schließlich auch das Nachtkastl im Dienstbotenzimmer; ein Duplikat dieser Liste habe der neue Mieter schon erhalten – man erkennt hier wohl die korrekte Hand des Herrn Doctor Eptinger! – und dieser werde dann bekanntgeben, welche Stücke er für ein billiges zu übernehmen wünsche; jedes Stück war kurz beschrieben).
    Sie ging hinauf. Vorher hatte sie noch rasch ein kleines Stemmeisen aus der Werkzeugkiste genommen und in die Schürzentasche gesteckt.
    Das lichte Treppenhaus mit den eingesetzten bunten Gläsern in den Fenstern behagte ihr; es trug sich (wie ein Kleid) jetzt besser als im Winter, weil es dann immer kalt und zugig hier war. Die herrschende Stille ruhte genau so tief als sie weit und breit schien, in der Ferne begrenzt durch das Geräusch eines auf dem Pflaster ratternden Wagens. Die Wenidoppler stieg langsam über die Stufen, und widerstand eben damit einer sich rührenden Aufregung. Sonst (wenn sie wo Schlüssel hatte) eine Aufsperrerin und Hineinspaziererin, als sei’s die eigene Behausung und durchaus ihr Herrschbereich (wenn auch eines Roßfleischhauers Tochter, erscheint sie doch hausmeist’risch recht gut veranlagt), fehlte ihr heute die souveraine Sicherheit; und das vor einer leeren, einer verlassenen Wohnung. So ging sie denn hier gleichsam auf hölzernen Füßen durch die ausgeräumten und halbdunklen Zimmer, die in einer Art von grünem Wasserlicht schwammen, infolge der herabgelassenen Jalousien.
    Immerhin, sie ging durch die Zimmer, wenn auch auf hölzernen Füßen, und nicht geradewegs vom Vorzimmer in die Dienstbotenkammer. Nun stand sie vor dem Objekt ihrer Überlegungen. Es war ein schieches Objekt, dumm-klobig und von ungewohnt breiter Form und dadurch etwas befremdend. Es sah aus wie vom Land. Mizzi zog die kleine Lade und öffnete die Tür. Der untere Hohlraum war nicht in zwei Teile geteilt durch ein Querbrett, wie sonst üblich. Auf der groben Bodenplatte war ein Ring sichtbar, vom Gefäß der Nacht, das hier seinen Sitz gehabt hatte. Die Wenidoppler schlug die Tür wieder zu, schob die Lade ein, und nahm das Stemmeisen aus der Schürzentasche. Die Marmorplatte war nicht angeschraubt, sondern nur eingesenkt. Sie ließ sich mühelos anheben und erwies sich als verhältnismäßig dünn; als sie beiseite gebracht war, zeigte sich unter ihr nichts als das rohe unpolitierte Holz. Vielleicht hätte die Wenidoppler nun doch ein Zerstörungswerk irgendwelcher Art vollbracht oder weitere Untersuchungen angestellt. Aber sie fühlte sich geradezu von Okrogelnik gefoppt. Sie war jetzt nur durch die unleugbare Tatsache getröstet, hier sicher unbeobachtet zu sein. Überdies: das Stemmeisen war in Aktion getreten, sie hatte es nicht bloß in der Schürzentasche bei sich geführt, sondern damit etwas getan. Es war hier endlich einmal was geschehen, in dieser Sache. Das mag ihr genügt haben. Sie senkte die Marmorplatte wieder in ihre Aussparung, ging direkt durch’s Vorzimmer zur Wohnungstüre und

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