Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
behaglichen Kaffeetrinkens in der nahe gelegenen Meierei. Die Kellnerin mit der weißen Schürze kam geschwinde über den Kies, die Sonne des Spätsommers lag auf den Tischen. Hier war sozusagen die Grenze des offiziellen, des zivilisierten Praters für Donald: dahinter die in sich zurücklaufende und wie unendliche Au, mit Bruch und Sumpf, mit Buschwald und den riesenhaften alten Bäumen. Man spürte hier tief im Innern das sonore Fließen der Zeit, eben dadurch, daß sie gemachsamer ging, nicht vorüber schoss und flitzte. Man war nicht der Stunden Raub, man besaß sie, hier im Kaffeegarten, mit dem dahinten schon sich abendlich rötenden Himmel und den davor hoch hinauf ästelnden Wipfeln der Bäume.
    D er Golfplatz hat Claytons in Wien mancherlei gesellige und gesellschaftliche Anschlüsse vermittelt (mehr jedenfalls als Harriet’s etwas rabiate Reiterei), vornehmlich in den großbürgerlichen Kreisen der Industrie. Der hohe Adel, die sogenannte ,erste Gesellschaft‘, erschien freilich nicht in solch einem bourgeoisen Club. Abgesehen davon, daß die Wiener Gesellschaft – die ,erste‘, die ,zweite‘ (das hohe Beamtentum) und die ,dritte‘ (die Unternehmer und Industriellen) – sich niemals gegen Fremde mit einer chinesischen Mauer umgeben hat, etwa wie in den patrizischen einstmaligen Hanse-Städten des Nordens, kam den Claytons damals einfach der Umstand zu gute, daß sie Engländer waren (nicht einmal durchaus typische), denn damals hatte die englische Lebensart längst begonnen, in vielen kleinen Gerinnseln überall einzudringen und den Kontinent zu durchsetzen. Schon den Weltweisen Johann Nestroy haben die Anglomanen belustigt; und um 1900, ja noch lange danach, zählte man auf allen Tennisplätzen in englischer Sprache und gebrauchte auch deren Bezeichnungen beim Cricket oder Fußball.
    Um die Zeit, als Donald ganz nach Wien übersiedelte, um die Technische Hochschule zu beziehen – also 1898 – verlor er seine Mutter. Die Todesursache, medizinisch wie immer definiert, wurde von dem Wiener Kutscher und Gärtner in der Prinzenallee unter seinesgleichen auf eine doch irgendwie treffende Weise bezeichnet: „Unsere Gnädige ist an der Auszehrung gestorben“, pflegte er zu sagen.
    Sie wurde selbstverständlich in Chifflington bestattet. Ihr Tod vermehrte für Bob noch den Ernst der Lage, welche vordem schon durch den Tod seines Vaters geschaffen worden war: denn er fand sich der Anforderung oft kaum gewachsen, das englische Werk und die Wiener Niederlassung gleichzeitig zu leiten. Durch den häufigen Ortswechsel kam etwas Unstätes in sein Wesen, und dem gesellte sich dann eine lange anhaltende Depression nach Harriets Tode bei. Um deren dunkles Zentrum, das oft schon den konkreten Anlaß, nämlich den Verlust der Gattin, ganz verbarg, so daß die Bedrücktheit gleichsam selbständig wurde, lag mitunter wie ein trüber Hof die Vorstellung, daß Harriet vielleicht in England, wohin zurückzukehren ihr Wunsch im Herzensgrunde stets gewesen war, länger gelebt hätte. Nach des Alten Tod hatte Donald immerhin noch mehrere Jahre auf der public school zu verbringen gehabt. Aber er, Robert, hätte das neue Wiener Werk so allein nicht lassen können, weit eher die Fabrik in Chifflington, wo alles längst in ausgefahrenen Bahnen lief und seine zeitweise Anwesenheit genügte. So hatte er denn allmählich in Wien Wurzeln geschlagen.
    In den ersten Wochen von Donald’s Wohnen in Wien – nicht in der einstmaligen ,nursery‘, sondern in einem sehr großen Zimmer des oberen Stockwerks nach rückwärts gegen den Park – wechselten Vater und Sohn oft täglich nur wenige Worte.
    Dennoch beruhte Bobs Hoffnung auf Donald und es war eine gegründete Hoffnung. Die Art, in welcher Donald sein Studium an der Technischen Hochschule zu Wien betrieb, muß als umsichtig und zeit-ökonomisch bezeichnet werden; leidenschaftlich war sie keinesfalls. Vom ersten Augenblicke an schien er es darauf anzulegen, diese Sache möglichst glatt und möglichst schnell hinter sich zu bringen, ohne je einen Termin zu versäumen, sei es für die Ablieferung der obligaten Zeichnungen oder die Absolvierung der sogenannten Colloquien. Dementsprechend ging es auch bei den Staatsprüfungen glatt ab. Donald zeigte auch keine Vorliebe für theoretische oder für praktische Fächer, und Mathematik I oder Mathematik II und die Mechanik galten ihm gleich viel wie die Mechanische Technologie (welche ihn doch ganz besonders anging, mit Hinblick auf seine

Weitere Kostenlose Bücher