Die Wasserfälle von Slunj
Geschäftsbücher unten in einem Stehpult. Am Rand der Schreibtischplatte lief ein Gitter von Holz. Das Fenster sah auf den Fluß, aber man konnte kaum hinausblicken, es waren dicke, farbige Gläser, in Blei gefaßt. Harriet hob die Tasse und zog den Duft des Tee’s ein. Erst jetzt empfand sie wieder etwas wie Lebensfreude, mindestens Behagen. Es war lange her seit dem letzten Mal.
D er ganz alte Clayton gehörte gewiß nicht zu denjenigen Leuten, die sich viel verwundern. Tieferes Staunen war ihm fremd. Aber in einem Punkte wunderte er sich doch.
Der kleine Donald hatte nun schon mehrere Reisen zum Kontinent und hierher zurück gemacht, entweder mit seiner Mutter, oder von Kate Thürriegl begleitet. Denn die Schulferien verbrachte er ja bei seinen Eltern, teils in der Prinzenallee zu Wien, teils in österreichischen Sommerfrischen, die von jenen gerne aufgesucht wurden (sie haben auch später ein Haus am Attersee gekauft).
Nichts jedoch war aus dem Buben heraus zu bringen von irgendwelchen Eindrücken, die ihm solche, damals noch etwas langwierige Reisen ja immerhin hätten hinterlassen haben können. Nichts von London, von Dover, von der Überfahrt, von der langen Reise mit der Eisenbahn – ein Schnellzug fuhr damals sechzig Kilometer in der Stunde – und schon garnichts von Wien.
„War es ein großes Schiff?“
„Ja, groß.“
„Ist dir schlecht geworden?“
„Ein wenig.“
„Hast du die Hofburg in Wien gesehen?“
„Ja.“
„Schön? Groß?“
„Groß.“
Er sagte auch nicht ,grand‘ oder ,pretty‘, sondern ,large‘. Der Alte war doch immerhin noch ein lebhafter Mann. Donald begann ihm unheimlich zu werden. Dabei war der Junge keineswegs stumpfsinnig oder dumm: je mehr er heran wuchs, um so leichter lernte er, ja, die Sachen schienen für ihn nicht schwieriger zu sein als das Cricketspiel. Wie alle intelligenten Kinder war Donald körperlich sehr wendig. Das zeigte sich dann auch beim Reitunterricht auf Harriet’s Fuchs. Der ganz Alte war beim Longieren dabei.
„Die Fersen herunter!“ rief der Großvater, „und die Ellbogen an den Leib!“
Von da an hielt sich Donald richtig.
Das Schlimmste für den Großvater war eigentlich Donald’s Wohlerzogenheit (vielleicht nicht die stärkste Seite des ganz alten Clayton). Der Knabe antwortete stets bereitwillig und überaus artig – aber eben garnichts. Es war unmöglich, mit ihm ein Gespräch zu führen. Harriet schien das auch nie versucht zu haben.
Beim Großvater aber gab es eine Art Bemühung um den Knaben. Man könnte sagen, daß er um ihn warb. Vielleicht hat ihn die Anwesenheit Donald’s rüstig erhalten, ihm das Leben verlängert. Er ist erst gestorben, als Donald schon im zweiten Jahr auf einer public school war.
S o wuchs man heran; und streifte da und dort, und es blieb manche Spur. Schnell wie ein Rehbock in den Fluchten, flitzte die Zeit durch die ungelichteten und unerforscht zurückbleibenden Forste der Jugend.
Zu diesen gehörte auch die dampfende Au des Praters bei Wien, an dessen Rand man ja unmittelbar wohnte. Auch hier genoß Donald allen Spielraum, um frei und ungedrückt aufzuwachsen, getummelt nach allen Seiten. In zwei Ländern jugendlich lebend, umschloß ihn niemals die Verhärtung in einem einzigen, das dann allein den Blickpunkt bildet. Was dies anlangte, war Donald seiner Mutter fremd geworden; und es mag sein, daß Harriet – welche das anders gewollt hatte – es schon empfand. Den Gebrauch der deutschen Sprache im Elternhaus an der Prinzenallee – als Übung für Donald – mußte sie hinnehmen. Was er sonst an Sprachen lernte, slawische und die des Vorderen Orients, galt der Mutter als vernünftig. Ihr Donald sollte nicht in Beirut über’s Ohr gehauen werden. Es war Chwostik, der mit dem Jungen serbokroatische, türkische und arabische Konversations-Stunden hielt.
Früh bildete sich zwischen den beiden jene Beziehung, die später im Orient von so vorteilhafter Wirkung für die Firma Clayton & Powers sein sollte. Dem polyglott veranlagten Österreicher, der im Lauf der Jahre seine zunehmende Vorliebe für das Erlernen fremder Sprachen bis zur Manie getrieben hatte und bis zu einer Art Sammelwut (die sich etwa eine genaue Kenntnis des Armenischen noch als exquisites Stück zulegte), kam ein ebenso starkes Sprachtalent Donald’s entgegen, welches aber bei einem Engländer nicht eben als nationale Eigenart bezeichnet werden könnte.
Die public school war gut für Donald, er liebte sie sogar, und war
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