Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
an. Hier wurde Augustus unschätzbar. Von ihm erst lernten sie eigentlich, sich französisch und englisch auszudrücken.
    Beides erscheint einem M.C. angemessen. Der Staatskanzler ist nicht nur ein französischer Stilist von Rang gewesen – den die Franzosen sozusagen als einen der ihren beanspruchen, wie sein von Hanoteau in Paris 1909 herausgegebener Briefwechsel mit der Gräfin Lieven beweist – sondern er hat beispielsweise auch, und das bezeugt uns Franz Grillparzer, nach einem Dejeuner in Neapel, zu welchem er den dort gerade anwesenden Dichter gebeten hatte, einen ganzen Gesang aus einem neuen Werke des Lord Byron in englischer Sprache aus dem Gedächtnis beim schwarzen Kaffee rezitiert (so sahen damals die Politiker aus).
    Es gehört nun hierher, daß Robert Clayton, als er wieder einmal nach Canada an die Verwandten schreiben wollte, für angezeigt hielt, sich vorher über des Augustus Fortgang im Gymnasium zu erkundigen. Denn aus Augustus war nicht viel heraus zu kriegen über ein „quite well“ und „all right“ hinaus; auch erzählte er nie etwas aus der Schule oder von den Kameraden, die er dort hatte. Doch war es nicht eine Unbeteiligtheit und Unberührbarkeit, die ihm eignete, wie etwa Donald; das spürte man. Vielmehr schien ihm alles viel Spaß zu bereiten, er lachte verschmitzt und vielleicht sogar etwas hinterhältig. Das dicke Bürschlein war maulfaul, so schien’s zu sein. Robert machte sich eines Vormittags auf den Weg in’s Gymnasium.
    Clayton wandte sich, als er die Brücke passiert hatte, nach links und folgte der langen geraden und bergan führenden Straße. Das enorm ausgedehnte Schulgebäude hatte eine Art Zwillings-Gestalt und zwei große Eingänge; deren erster führte zu einer Lehrerbildungs-Anstalt, die ebenfalls hier untergebracht war. Robert ging zum zweiten Eingang. Er kannte dieses Haus, denn er hatte ja im Herbste Augustus hier einschreiben lassen. Auf den breiten Gängen mit dem Boden von Steinfliesen war es jetzt, während des Unterrichtes, leer und still. Aus den Klassenzimmern hallte da und dort eine Stimme. Als er auf den Gang vor der Direktions-Kanzlei und dem Konferenz-Zimmer kam, fiel ihm der Name des Klassenvorstandes nicht ein. Der dicke Bursch hatte ihn ein einziges Mal erwähnt. Clayton wußte also nicht einmal, nach wem zu fragen war. In diesem Augenblicke trat, nicht ohne Würde, ein dicker großer Mann in dunkler Uniform mit gelben Knöpfen und schwarzer Kappe aus der Direktions-Tür, offenbar eine Art Pedell. Robert grüßte höflich und fragte, ob es möglich sei, den Vorstand der Klasse VII a zu sprechen. Die Klasse wußte Clayton freilich. Ansböck, so hieß der Direktionsdiener, stutzte ein wenig, denn im allgemeinen wurde nach den Professoren mit Namen gefragt, auch pflegte niemand ,Vorstand der Klasse‘ zu sagen, sondern eben Klassenvorstand, auch ,Ordinarius‘.
    Es sei zwar jetzt keine Sprechstunde, bemerkte Herr Ansböck höflich und mit der Gravität eines Organes, das für Größeres dasteht, aber doch eben mit diesem Größeren sich identisch weiß; jedoch sei Herr Professor Doctor Petschenka zur Zeit nicht im Unterrichte, sondern hier im Konferenz-Zimmer, und er wolle den Herrn anmelden. „Clayton, Oheim des Schülers Cunish“, sagte Robert. Jedoch kam es nicht so weit. Eine Tür öffnete sich und der Gesuchte, ein kleiner Herr in jüngeren Jahren, trat heraus. Ansböck meldete ihm halblaut und respektvoll den Besuch und entschritt.
    Doctor Petschenka trat näher und die beiden Herren machten sich bekannt.
    Die Art, wie Clayton hier erschien – ungebeten und außerhalb der Sprechstunde – war gerade diejenige, in welcher Eltern und Angehörige solcher Schüler in alarmierter Weise hierher zu kommen pflegten, die vor dem Durchfallen standen. Robert konnte das freilich nicht wissen, auch nicht, welch ein Kreuz durch solche Eltern (und Schüler) den Lehrern auferlegt war. Für ihn blieb nur die etwas reservierte Haltung des Herrn Professors bemerkbar. Es war Herr Doctor Petschenka ein vortrefflicher Philologe und geschickter Lehrer. Nur neigte er sehr zum Ärger, und wurde dabei nicht rot, sondern blaß. Seine Schüler hatten diese bedenkliche Erscheinung längst registriert. Auch ging ein Vers um:
    „Petschens holdes Angesicht
hat Quadratform, irr‘ ich nicht“
    Es stimmte so ungefähr. Irgendetwas unheimliches war hier also vorhanden. Der Beruf eines Gymnasialprofessors übertreibt allerdings jeden Charakter, weil er ihn täglich mit

Weitere Kostenlose Bücher