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Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj Kostenlos Bücher Online Lesen
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mit der Hand auf eine große Papierfläche, welche die Rückwand zum Teil bedeckte. Das Plakat hätte allerdings längst zerfallen sein müssen, wäre es hier so feucht geblieben wie’s vordem gewesen war.
    Donald wandte sich herum. Sofort war das Wieder-Erkennen der Darstellung auf dem Plakate da: der wütende, glühende Ofenrachen mit den hochgeschwungenen Armen und Fäusten, die links und rechts aus des Ofens Körper wuchsen; die fliehenden, klagenden Schwaden und Schwämme. Durch einen winzigen Augenblick bot es sich Donald an, eine neulich empfundene unbegreiflich heftige Abneigung als das zu erkennen, was sie zum guten Teile war: die Erinnerung an einen peinvollen Eindruck aus der Kindheit. Aber alsbald verlor sich’s wieder. Donald war ein nach außen gewandter Mensch. Er besaß sozusagen keine innere Routine. Auch die inneren Zufälle muß man am Schopfe zu greifen verstehen.
    So sagte er denn irgendetwas zu Broubek und ging nach oben. Merkwürdig blieb es doch – wenngleich naheliegend – daß während des Dinners (bei welchem stets auch Augustus, entsprechend geschniegelt und gekleidet, zu erscheinen hatte) des Commercialrates Gollwitzer durch den Vater Erwähnung geschah. Man war dort eingeladen, zu einer Soiree.
    D ie Abendgesellschaft bei dem Commercialrate konnte jedoch von Robert Clayton nicht besucht werden. Er lag zur Zeit niesend, leicht fiebernd und schwer schimpfend im Bett, nahm teils Pyramidon, teils Whisky ohne Soda ein, mit der Außenwelt und dem Werk nur durch die Raben des Elias verbunden, nämlich Donald und den Direktor Chwostik. Da er vor Schnupfen kaum aus den Augen zu schauen vermochte, konnte er auch nicht mit Büchern sich unterhalten; und hier war es Augustus, der einsprang, und seinem Onkel abends aus dem hervorragenden Werke des Earl of Cromer ,Modern Egypt‘ vorlas. Den Schnupfen bekam dann nicht nur Augustus, sondern auch der ganze M.C. Jedoch Donald und Chwostik blieben verschont.
    Sogleich hatte Donald, da ja sein Vater genötigt war, bei Gollwitzer abzusagen und sich mit seiner schweren Verkühlung zu entschuldigen, daran gedacht, der Soiree gleichfalls fernzubleiben. Doch davon wollte Robert durchaus nichts hören: Donald müsse unbedingt dort erscheinen. Dabei verharrte er.
    So stand denn am betreffenden Abende der lange Knight-Minerva wieder unter der Einfahrt: im Schwachen Licht der pompösen Lampe, und der Diener half Donald im engen kahlen Vorzimmer in seinen Pelz.
    Der Wagen zog summend dahin. Von der Brücke sah Donald ferne Lichter bei der Biegung des Kanales blitzen. Man fuhr dann an der Fabrik vorbei, die freilich jetzt dunkel lag, nur im Pförtnerhause war ein erhelltes Fenster zu sehen; dort saß später auch der Nachtwächter zwischen seinen Rundgängen.
    Es war eine verhältnismäßig lange Fahrt, durch die Wollzeile hinauf – deren damals noch erhebliche Steigung der Knight-Minerva leicht überwand – am Dom vorbei, über den schon stilleren Graben, und jetzt links hinein, und dann durch die Hofburg: bald fuhr man hier durch ein sozusagen offenes Meer von Dunkel und Weiträumigkeit mit selteneren Lichtern. Donald empfand heute den sonst so rundlichen Duft vom Atkinson-Lavendelwasser als beinahe scharf oder spitz, er kam unter dem Pelz aus dem Ausschnitt des Abendanzuges hervor, wo das steife Hemd (wie man es damals zum Dinner-Jakett noch trug) ein wenig sich wölbte. Er hatte wohl etwas zu viel von dem Atkinson auf Wäsche und Taschentuch genommen. Der Wagen zog die lange Mariahilferstraße hinauf: ein Teil Wiens, der Donald ganz fremd geblieben war. Wer stets einen Wagen benützt, der von einem einheimischen und ortskundigen Chauffeur gefahren wird, lernt eine Stadt verhältnismäßig langsam kennen. Am vertrautesten war Donald noch immer, abgesehen vom Prater, mit der Gegend, wo sich die Technische Hochschule mit ihren verschiedenen Instituten befand.
    Sogleich als er in der Hietzinger Fichtnergasse vor der in sämtlichen Fenstern hell erleuchteten großen Villa aus dem Wagen stieg, fühlte Donald, daß dies hier eine andere Welt sei als jene der Harbach und aller ihrer Art. Die Ankunft der Gäste schon – es fuhr Kutsche nach Kutsche vor und dazwischen da und dort ein Automobil – war vertraulich und lärmend, denn die meisten begrüßten einander gleich auf der Straße, und im geräumigen Vestibül herrschte nicht jene formelle Stille des Introitus, in der sonst die Leute ihre Pelze oder Mäntel abzulegen pflegten, sondern bereits ein ungeheures

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