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Die Wasserfälle von Slunj

Die Wasserfälle von Slunj

Titel: Die Wasserfälle von Slunj Kostenlos Bücher Online Lesen
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der Mathematik, und so kamen am Ende alle auf ein erhebliches Niveau). Bei den gewöhnlichen und häufigen Zusammenkünften controllierte man vor allem die Kenntnisse und im besonderen die Praeparation für den folgenden Tag. Laut Statut hatte jedes Mitglied morgens sorgfältig Toilette zu machen und sich spätestens zehn Minuten vor Beginn des Unterrichts im Gymnasium einzufinden. Ein kleiner schlendernder Umweg auf dem Wege dahin war geradezu ein point d’honneur. Man ließ sich dabei gerne antreffen. Die Statuten des Clubs waren schriftlich fixiert, von den ordentlichen und dem außerordentlichen Mitgliede unterzeichnet. Ihr Aufbewahrungsort war beim Titelblatte des ersten Bandes von Metternichs nachgelassenen Papieren.
    Sie wurden wirklich von allen Vieren penibel eingehalten, diese Statuten.
    Man kann sich leicht denken, daß sie den Horaz in der Schule auswendig mit Schwung vortragen, den Gorgias Meno fließend übersetzen konnten, daß sie historische Daten nur so herunterratschten, und bei der mathematischen Schularbeit eine Viertelstunde vor Schluß schon alle vier Beispiele korrekt gelöst hatten.
    Es entstand zwischen diesem Quartett und der übrigen Klasse eine gewisse Distanz.
    Des Augustus Schulweg hatte mit dem der anderen kein Stück gemeinsam. Ganz ebenso wie der Gang von Clayton bros. in’s Bureau, führte dieser hier über die Brücke, jedoch dann links bergan durch die lange und gerade Sophienbrückengasse. An ihrem oberen Teile lag das Gymnasium. Augustus sah immer in die geöffnete Fernsicht, wenn er, statutengemäß ohne jede Eile, morgens über die Brücke schritt. In der Mitte lief, zwischen dem gittrigen Gerüst gewaltiger Eisenträger, die Fahrbahn. Links und rechts davon ging man auf breiten Trottoirs. Augustus ging meistens rechts und kreuzte die Straße erst nach der Brücke. Vom rechten Gehsteig sah man den leicht biegenden Donaukanal stromaufwärts bis zum Viadukt der Eisenbahn, der als ein schmaler kühner Strich jetzt im winterlichen Grau der Ferne schwebte. Manchmal blieb Augustus auf der Brücke stehen. Er war ein mittelgroßer aber dicklicher Bursche; seine Bewegungen schienen gemächlich, ja fast träge. Er ließ sich Zeit. Sein Verhalten beim Gang zur Schule entsprach durchaus den Statuten des M.C. (Metternich-Club). Während der ersten Zeit aber machte Augustus keine Umwege.
    Es ist zu fragen, warum die Sitzungen des M.C. gerade bei Hofmock stattfanden und nicht etwa bei Zdenko von Chlamtatsch. Darauf wäre zu antworten, daß jede neue Sache den Händen ihres Initiators entgleitet und in die eines Organisators übergeht: und damit hätten wir Zdenko und Fritz schon in bezug aufeinander richtig geortet. Außerdem besaß Fritz den monumentalen Block der Ausgabe von Metternich’s Schriften (ein Geschenk seines Vaters, der sie in der Bibliothek gehabt hatte) und die Topographie des Mobiliars im Zimmer machte, durch die zentrale Lage eines Büchergestelles aus rötlichem Mahagoni, jene Reihe von Bänden wirklich zum Mittelpunkte des Raums. Vor den Büchern war genug Platz für die weiße Nelke in einer Vase: Fritz ließ sich dies was kosten, oft auch im Winter; jedenfalls aber vor jeder formellen Sitzung.
    Bei einer solchen war übrigens der Gebrauch des Deutschen ausgeschlossen – dieses blieb auf die Lern-Sitzungen beschränkt – es sei denn, man hätte gemeinsam einen in deutscher Sprache geschriebenen Abschnitt aus dem Metternich gelesen. Die Conversation darüber wurde jedoch französisch geführt. Neuestens aber zog man bei den Lesungen die Correspondenz des Staatskanzlers mit der Gräfin Lieven – der Frau des damaligen russischen Botschafters in London – am meisten vor. Es sind diese Briefe durchwegs französisch verfaßt. Die Umgangs-Sprache der Mitglieder des M.C. außerhalb von Sitzungen jedoch war englisch.
    In beiden Punkten gewann Augustus sogleich Funktion und Bedeutung im Club. Denn das Englische war ja seine Muttersprache und Französisch sprach er fließend von Kindheit an. Es ist die Zweisprachigkeit typisch für die Gegend in Canada, aus welcher Augustus stammte. Französisch und Englisch der drei ordentlichen Mitglieder des M.C. aber waren in ihrer Grundlage das zu Wien dazumal in solchen Kreisen übliche Gouvernanten-Produkt, späterhin durch Lektüre gehoben und ergänzt, grammatikalisch canalisiert jedoch erst dadurch, daß alle drei Buben von der ersten Gymnasialklasse an die beiden Sprachen als Freigegenstände gewählt hatten. Summa: es ging grad

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