Die Wasserfälle von Slunj
rührigen Ingenieur Wosniak, war die Verbindung zwischen dem Bukarester Hause und den Engländern hergestellt worden, die denn auch späterhin Gollwitzer & Putnik die Generalvertretung für Rumänien überließen. Daß diese Firma übrigens nicht rumänischer Herkunft gewesen ist, geht schon aus ihrem Namen hervor.
Die drei Herren – Robert, Donald und Gollwitzer (später kam noch der alter Doctor Eptinger hinzu) – saßen bei ihrem folgenden Gespräch längst in der Ecke eines rückwärtigen Salons. Uber den leichten und zierlichen Fauteuils hier schwebte, wie daheim in der Clayton-Villa, eine Lampe mit breitem Schirme.
Der Gollwitzer fragte Robert Clayton, wie er denn mit der Feuchtigkeit fertig geworden sei in der Pratervilla und der Nässe in den Kellern – ein Umstand, aus dem beim Verkauf des Hauses damals kein Geheimnis hatte gemacht werden können. Robert sagte, man sei sehr bald mit dieser Sache fertig geworden, durch eben zu jener Zeit neu auf den Markt gekommene Trockenöfen, von der und der Marke und Firma. Heute freilich habe man einfach die Zentralheizung auch im größten Teil des Kellers installiert. Donald, der den Commercialrat gerade gegenüber hatte, sah, daß dieser sich über das Gehörte garnicht im geringsten freute oder davon befriedigt oder erleichtert war; etwas vorgebeugt in seinem Sessel sitzend, blickte er aufmerksam auf den Vater, und nahm ganz offenbar nur einfach zur Kenntnis, daß jemand einen Schaden, der von ihm selbst als sicher vorausgesehen worden war, nicht gehabt hatte. Ja, sein Gesichtsausdruck war nahezu so, als habe er eben jetzt eine nicht gerade günstige Nachricht empfangen. Ein Schaden für jemand anderen war ausgeblieben. Schade. Hinter Gollwitzers gleichsam auf altwienerische Gemütlichkeit zurechtgelegter Physiognomie – mit Koteletten á la Schubert und einem volkstümlichen Schnurrbart – sah Donald plötzlich etwas Furchtbares, eine furchtbare Schädlichkeit, und, noch schlimmer, er fühlte sie als weit überlegen. Die Empfindung davon war so intensiv, ja, sie war so wenig von seiner eigenen Art, wie er sich kannte, daß sie als ein Fremdkörper in ihm stand. Donald fühlte hier Furcht, Antipathie und Staunen zugleich.
Man sprach noch von jenen Öfen. Seine plötzliche und lebhafte Abneigung gegen das Gesprächsthema als solches schon mußte Donald freilich nur für eine Abneigung gegen den Gollwitzer halten. Die Selbsttäuschung war hier ganz unvermeidlich. In diesen Augenblicken drang der Gollwitzer tief in Donald ein, ja, bis in’s Grundgeflecht, möchte man sagen, bis in die ungelichtet und unerforscht zurückgebliebenen Forste der frühen Jugend. Donald fühlte sich so sehr überrannt vom eigenen Empfinden, wie noch nie, seit er denken konnte, oder höchstens im Traum. Er war der Lage nicht gewachsen; und ließ sie gern dahinten, ohne sich ihr zu stellen (wie denn auch?!), als sein Vater, zu ihm geneigt, halblaut auf englisch sagte: „Du müßtest dich ein wenig um die Töchter kümmern.“ So entwich Donald einem Kreis älterer und alter Herren, der sich jetzt und hier bildete, zunächst durch das Herantreten und Platznehmen des Doctors Eptinger, weiterhin der Herren von Chlamtatsch und des Sektionschefs Franz von Wasmut, der dem Ministerium des Kaiserlichen Hauses und des Äußeren angehörte (die beiden letzteren Herren scheinen uns schon irgendwo begegnet zu sein).
Donald trieb unter den Hilda’s und Pipsi’s um. Seine Abwesenheit war dabei eine vollkommene. Wäre er jetzt frontal auf Frau Harbach gestoßen und auf ihre bedeutenden orographischen Sachverhalte: selbst sie, bei der doch allezeit der Wunsch der Vater aller Vorstellungen war, hätte die Abwesenheit fluidischer Spannung bei ihm erkennen müssen. Aber Donald stieß nicht auf jene Berglandschaften; sie hatten sich eben, drei Zimmer weiter weg, zwischen die unglückliche Jenny und ihren Gesprächspartner geschoben, eben als der Partner einer zu werden begann.
Blieb doch Hilda. Durch eine Art Schleier empfand Donald sie als akzeptabel, als Hilfe, als augenblickliche Stütze. Wie hinter einer Wand, ja, hinter der violetten Seidentapete des Raumes, standen hier alle Möglichkeiten, jedoch gleichsam gelähmt. Sie sprach englisch zu ihm, und er antwortete ebenso, obwohl sich die Claytons in Wien längst angewöhnt hatten, sogleich deutsch zu antworten. Dadurch erhielt das Gespräch für Donald etwas ausnahmehaftes, und entsprach für ihn seinem eigenen Zustande. Herr Harbach, der im
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