Die Wasserfälle von Slunj
Vorbeikommen hörte, wie seine Tochter eben dem jungen Clayton in englischer Sprache fließend entgegnete, freute sich darüber.
Robert, als die beiden, auf der Suche nach einem Eckchen zum Plaudern, durch das Zimmer schritten, wo er mit den anderen älteren oder alten Herren saß, dachte flüchtig, daß er mit den ,Töchtern‘, um die sich Donald kümmern möge, wohl eigentlich die jüngeren gemeint habe. Der Doctor Eptinger erzählte eben von seiner Nichte Monica Bachler, die jetzt aus der Schweiz zurückgekehrt sei, um nunmehr hier die neue Niederlassung einer dortigen Firma zu leiten, bei der sie schon über zehn Jahre tätig sei: ein großer Fachverlag für Ingenieurwissenschaften und Technik, der auch mehrere Zeitschriften herausgebe. „Kenne ich“, sagte Clayton. „Ist so gut wie unentbehrlich. Diese Publikationen erscheinen zum Teil auch englisch. Aber sagen Sie mir, verehrter Herr Doctor, da muß ja Ihre Nichte solche Sachen studiert haben?“ „Ja, freilich“, entgegnete der alte Eptinger, „sie ist diplomierter Maschinen-Ingenieur.“ „Na, so etwas!“ rief Herr von Wasmut, „ich glaube, das gibt es bei uns garnicht. Die Technische Hochschule hat, so viel ich weiß, keine weiblichen Studenten.“ „Sie hat in Zürich das Polytechnikum absolviert“, sagte Eptinger. „Ich finde das geradezu großartig, Herr Doctor“, warf der Herr von Chlamtatsch ein, „wenn ich fragen darf, wie alt ist Ihr Fräulein Nichte?“ „Sie wird so circa sechsunddreißig oder siebenunddreißig sein“, sagte der Rechtsanwalt. „Dazu gehört doch große Begabung, eine Menge Talent, mein’ ich!“ „Ja, das hat sie“, sagte Eptinger. Der ganze für die damalige Zeit wirklich höchst ungewöhnliche Fall – übrigens könnte so etwas auch heute noch als Ausnahme gelten – hatte fast eine Art Aufregung unter den anwesenden Herren hervorgerufen. Wieder sah Robert Clayton den Donald mit der ältesten Tochter des Hauses vorbeikommen. Er schüttelte leicht den Kopf, fast nur innerlich, man hätte es nicht bemerken können.
D er ,Metternich-Club‘ hatte sich diesmal in dem großen Zimmer versammelt, das der Gymnasiast Fritz Hofmock bei seinen Eltern bewohnte. Es war dieser Raum mit neueren und nicht uneleganten Möbeln ausgestattet (Firma Portois & Fix), die etwa den Stil des Empire nachahmten. Über solcher Grundierung schien diese Welthöhle da und dort vom persönlichen Anhauch ihres Bewohners beschlagen. Auf einem Bücherbrett standen sämtliche Bände von Metternichs nachgelassenen Papieren; davor in einer kleinen Vase eine weiße Nelke. Eine solche Nelke trugen bei den formellen und eigentlichen Clubsitzungen alle drei ordentlichen Mitglieder – Heribert von Wasmut, Zdenko von Chlamtatsch, Fritz Hofmock – und auch das außerordentliche Mitglied, Augustus Cunish aus Montreal. Zu seiner Aufnahme war eine formelle Sitzung einberufen worden, bei welcher er die bereitgehaltene Blume erstmals in’s Knopfloch erhielt (sie war im Winter etwas kostspielig). Jedes ,Vereinsabzeichen‘ wurde von den vier jungen Leuten verabscheut. Mehr Personen umfaßte der Club nicht. Er verdankte seine Entstehung wesent-lich der aufrichtenden Wirkung, welche ,die Engländer‘, denen man fast regelmäßig auf dem Schulweg begegnete, ausstrahlten (freilich machten Clayton bros. die paar Schritte von der Villa über die Brücke in’s Geschäft stets zu Fuß). Zwischen jener Doppel-Erscheinung – sie war ein Tabu, sie wurde nie erwähnt – und Augustus Cunish bestand für die Gymnasiasten in der ersten Zeit keinerlei Zusammenhang. Von Augustus wußten sie wohl, daß er in der Prinzenallee wohnte, in einer Villa, die Eigentum seines Onkels war (das empfahl). Der Metternich-Club bildete – im Geiste seines Gründers Zdenko von Chlamtatsch, jedenfalls hatte dieser dazu den ersten Anstoß gegeben – praktisch einen Lern-Club. Die Statuten verpflichteten jedes ordentliche oder außerordentliche Mitglied zur korrekten und zeitgerechten Erledigung aller Schularbeiten und Praeparationen. (Für Augustus war das eigentlich immer selbstverständlich gewesen.) Schulsorgen und Prüfungs-Ängste galten als indiskutabel, und, vor allem, als im höchsten Grade unelegant. Statutenmäßig hatte jedes Mitglied die Clubcollegen beim Studium zu unterstützen, wobei freilich die starken und schwachen Seiten eines jeden einander gut ergänzten (das war der größte Vorteil bei der ganzen Sache, denn der eine war besser im Griechischen und der andere in
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