Die Wassermuehle
plusterte sich auf und krähte.
„Ich bin es leid mit dem Vieh!“, schimpfte sie, als sie zurück ins Wohnzimmer kam.
Vivienne lag auf dem Sofa und studierte die neueste Ausgabe der Annabella. „Was rennst du auch mit deiner Sonntagsgarderobe in den Hühnerstall? Ich finde es übrigens unfair, dass du mir die Männer ausspannst.“
„Herrje! Glaubst du, ich mache das zu meinem Vergnügen?“
Vivienne ließ ihren Blick über Hedis Kostüm und ihr geschminktes Gesicht wandern. „Ja.“
Hedi wurde rot. „Ich gehe nur aus einem einzigen Grund mit Bernsdorf essen: Damit er deine dämlichen Bilder kauft! Und denk dran: Falls er dich darauf ansprechen sollte, tust du, als wüsstest du von nichts.“
Vivienne schlug wütend die Annabella zu. „Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ein renommierter Galerist wie Wolfgang Bernsdorf auf einen derartigen Schwachsinn reinfällt!“
„Das hat er schon hinter sich.“
„Du wirst meinen Ruf ruinieren!“
„Du hättest aufstehen können.“
Vivienne stiegen Tränen in die Augen. „Meine Arbeiten sind diffizile Kompositionen: Abdruckbilder der Seele! Jeder Pinselstrich ein Ergebnis existenzialer Prüfung.“
„Der Kosmos in der Seinsverfallenheit, ich weiß.“
„Ich ertrage es nicht, diesen Schund unter meinem Namen firmieren zu sehen!“
„Dann sag deiner Agentin, sie soll endlich dein Geld rausrücken.“
„Es geht hier nicht um materialistische Spießbürgerlichkeiten. Ich bin eine seriöse Künstlerin. Du machst mich unmöglich!“
„Die Diskussion hatten wir schon.“
„Mir ist es ernst, Hedi.“
„Mir auch!“
Juliettes alte Standuhr schlug zur siebten Stunde. Hedi sagte Tschüss und ging in den Hof. Von Wolfgang Bernsdorf keine Spur. Sie brach verwelkte Geranienblüten aus.
Uwe kam mit seinem Fahrrad aus der Gärtnerei herüber. „Guten Abend, Frau Winterfeldt. Sie sind ja so schick. Gehen Sie aus?“
„Ja. Geschäftlich.“
Uwe zeigte auf die Geranien. „Die Schöne von Grenchen wächst diesen Sommer besonders schön.“
„Ich habe einen guten Lehrmeister.“
„Sie haben einen grünen Daumen.“
„In meiner Offenbacher Wohnung haben nicht mal Kakteen überlebt.“
„Wahrscheinlich haben Sie sie bloß zuviel gegossen.“
„Christoph-Sebastian war zu Besuch.“
Uwe lächelte. „Seit gestern ist er auffällig brav.“
„Das gibt sich. Ist deine Mutter noch da?“
Er schüttelte den Kopf. „Warum?“
Hedi warf die abgezupften Geranienblüten unter einen Holunderbusch. „Es wäre schön, wenn sie bei Gelegenheit mal wieder auf einen Kaffee vorbeikäme.“
„Im Moment hat sie viel zu tun.“
„Sag mal ... Habe ich sie irgendwie beleidigt?“
Er sah sie erstaunt an. „Wie kommen Sie denn darauf?“
Hedi räusperte sich verlegen. „Am Anfang war sie fast jeden Tag da. Jetzt schaut sie nicht einmal mehr rein, wenn sie bei dir in der Gärtnerei ist.“
„Wie ich Mutter kenne, befürchtet sie, dass sie Ihnen auf die Nerven fällt, wenn sie zu oft ungefragt auftaucht. Sie hat sich sehr darüber gefreut, dass ich bei Ihnen mit zu Mittag essen darf.“
„Ich koche sowieso immer viel zuviel. Apropos essen: Kennst du jemanden, der Hausschlachtung macht?“
„Ich könnte den Stubbe-Schorsch fragen. Schwein oder Rind?“
„Ich dachte eher an was Zweibeiniges.“
„So schlimm ist Christoph-Sebastian doch wieder nicht, oder?“
Hedi lachte. „Grüß deine Mutter von mir.“
Er schwang sich auf sein Rad. „Mach ich.“
Zwanzig vor acht traf Wolfgang Bernsdorf an der Mühle ein. Er hatte einen elegant geschnittenen hellen Anzug an und grinste. „Sie sind ja schon fertig!“
„Wir hatten um sieben Uhr abgemacht, oder?“
„Entschuldigung, aber ich bin daran gewöhnt, dass Frauen zu Unpünktlichkeit neigen.“
„Sie kennen anscheinend nur eine Sorte.“
Er hielt ihr die Beifahrertür des Ferrari auf. „Das lässt sich ändern, oder? Der Rock steht Ihnen.“
Hedi stieg ein. „Haben Sie Ihren Kunden erreicht?“
„Leider nein.“ Er fuhr aus dem Hof, über die Brücke und die Holperpiste hinauf. Die Federung in einem Ferrari hatte Hedi sich anders vorgestellt.
Wolfgang sah sie an. „Na? Warum so schweigsam?“
„Entschuldigung. Sie sind sicher daran gewöhnt, dass Frauen zu Geschwätzigkeit neigen.“
Er lachte. „Mögen Sie Frankreich?“
„Kommt darauf an, mit wem man hinfährt.“
„Welche Ansprüche stellen Sie an einen idealen Begleiter?“
„Dass er die Eichhörnchen auf den Pinien lässt
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