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Die Wassermuehle

Die Wassermuehle

Titel: Die Wassermuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hahn
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von Einsatz- und Verfolgungsfahrten“, sagte Michael zu Dagmar. Sie wollte etwas sagen, aber er winkte ab. „Kissel hat als Vorgesetzter das Recht, eine Verfolgungsfahrt jederzeit abbrechen zu lassen.“
    „Es wäre hirnrissig gewesen!“
    Michael grinste. „Diese Vokabel ist in der Erlasslage leider nicht vorgesehen. Pech für Klaus, dass unser Chef seine allmonatliche Nachtdienstkontrolle ausgerechnet heute ansetzen musste.“
    „Aber wir haben die Kerle doch erwischt!“
    „Darauf kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.“
    Dagmars Augen sprühten vor Zorn. „Ach? Und worauf dann, wenn ich fragen darf?“
    „Ich tippe auf einsatztaktische Bedenken. Unser Chef hatte wohl Angst um seine weibliche Belegschaft.“
    „Ich habe Klaus überredet, sich über die Anordnung hinwegzusetzen. Und deshalb werde ich jetzt zu Herrn Kissel gehen und die Sache klarstellen.“
    „Das lässt du mal schön bleiben.“ Klaus stand in der Tür und grinste.
    „Na?“, fragte Michael.
    Klaus legte zwei Finger auf die Lippen. Kissel kam herein. Sein Gesicht hatte wieder eine einigermaßen normale Färbung angenommen. „Morgen früh um Punkt acht Uhr habe ich Ihren Bericht auf dem Tisch, Winterfeldt!“, sagte er und ging.
    Klaus sah Dagmar an. „Sag mal, wo hast du Autofahren gelernt? Auf dem Nürburgring?“
    Dagmar lächelte. „Ich bin das Produkt eines alleinerziehenden Vaters, wie du weißt.“
    „Und was hat dir dein Daddy sonst noch beigebracht?“
    „Wie man die Dinger wieder zusammenbastelt, nachdem man sie zu Schrott gefahren hat.“
    „Dann bin ich ja beruhigt.“
    „Und dass man für das, was man tut, die Verantwortung übernehmen muss. Was hast du Herrn Kissel erzählt?“
    „Ist nicht der Rede wert.“
    „Ich will wissen, was du ihm gesagt hast!“
    „Wir verhalten uns vorbildlich. Wir sorgen für ein gutes Betriebsklima und tragen zur Arbeitszufriedenheit bei.“
    „Bitte?“
    „Kleine Anleihe aus unserem geschätzten Leitbild.“
    „Diszi?“, fragte Michael.
    Klaus zuckte mit den Schultern.
    „Er will ein Disziplinarverfahren gegen uns einleiten?“, rief Dagmar entsetzt.
    „Nur Vorermittlungen“, sagte Klaus. „Gegen mich.“
    „Aber es war meine Schuld! Ich habe dich überredet, den Funkspruch zu ignorieren!“
    „Papperlapapp. Ich kannte den Erlass, und ich bin für dich verantwortlich.“ Er lehnte sich gegen den Wachtisch. „Im Übrigen war mein Motiv reiner Egoismus. Wenn du nämlich dereinst hinter Kissels Schreibtisch oder an einer adäquaten anderen Stelle Platz nehmen wirst, erwarte ich, dass du unsereins nicht ganz vergisst.“
    „Du meinst also, ich sollte mich primär um die Durchsetzung der Praxis-Variante bemühen?“, fragte Dagmar lächelnd.
    Michael sah sie verständnislos an. Klaus lachte. „Genau. Aber vorher wartet der Computer auf unseren Bericht.“

K APITEL 29
    K urz vor halb sieben sprang Hedi unter die Dusche. Sie zog ihr rotes Leinenkostüm und eine weiße Seidenbluse an, verteilte etwas Make-up und Rouge im Gesicht und kämmte sich das Haar aus der Stirn. Wo hatte sie bloß ihre Haarnadeln hingeräumt? Und warum war sie so nervös? Das Ganze war eine rein geschäftliche Angelegenheit. Außerdem war Bernsdorf ein arroganter Kerl. Bestimmt hatte er in München an jeder Hand zehn hübsche Verehrerinnen. Aber seine Stimme klang nett. Und seine dunklen Augen hatten was ...
    Sie schob Viviennes Tiegelsortiment beiseite und kramte in Dominiques Beautycase, aber die Haarnadeln blieben ebenso unauffindbar wie ihre roten Ohrringe und die Zahnpastatube. Dieses Bad war zum Verrücktwerden! Das Waschbecken hatte keine Ablage und der Spiegel kein Licht. Der Seitenschrank war hübsch anzusehen, aber entschieden zu klein, die Whirlpoolwanne hässlich und entschieden zu groß. Und überflüssig wie ein Kropf. Genauso wie das Edelstahlbidet, für das Hedi den Wäschekorb in den Keller hatte räumen müssen. Sie steckte ihr Haar mit einer silbernen Spange zusammen und nahm eine frische Tube Zahnpasta aus dem Schrank. Unter der Zahnpasta lagen ihre Ohrringe.
    Auf dem Weg nach unten fiel ihr ein, dass sie vergessen hatte, die Hühner zu füttern. Sie zog ihre alten Schuhe wieder an und holte den Futtereimer. Der Hahn taxierte sie mit schräggelegtem Kopf, als sie das Gehege betrat. Vor dem Stall setzte er zum Angriff an. Hedi warf fluchend den Eimer nach ihm und konnte in letzter Sekunde flüchten. Die Hühner machten sich gackernd über die verstreuten Körner her, der Hahn

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