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Die Wassermuehle

Die Wassermuehle

Titel: Die Wassermuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hahn
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ja, vorletzten Montag in der Waldstraße. Ich hatte es ein bisschen eilig.“
    „Dürfen wir reinkommen?“, fragte Klaus. „Bitte.“
    Das Lächeln erstarb. „Sie kommen nicht wegen des Fotos.“
    „Nein“, sagte Klaus. „Ist Ihr Mann zu Hause?“
    „Ich warte seit zwei Stunden auf ihn!“ Ihr Gesicht wurde bleich. „Ihm ist doch nichts passiert? Er ist doch nicht ...“
    „Mit Ihrem Mann ist alles in Ordnung, Frau Ludewig. Bitte lassen Sie uns hineingehen, ja?“
    Sie wurde aggressiv. „Nein! Ich will auf der Stelle wissen, was ... Jens! Sie kommen wegen Jens?“
    „Bitte, Frau Ludewig.“ Klaus berührte sie leicht am Arm. „Oder wollen Sie, dass Ihre Nachbarn jedes Wort mithören?“
    Ihr Gesicht entspannte sich. „Hat der Junge etwa irgendwas angestellt?“ Sie lächelte zaghaft. „Ich kann’s mir zwar nicht vorstellen, aber ...“
    „Ich sage es Ihnen drin, ja?“
    Anne Ludewig trat beiseite und ließ sie hinein. Das Wohnzimmer war hell und gemütlich eingerichtet: gelaugte Buchenholzmöbel, an den Wänden Blumenaquarelle, Seidenkissen auf der Couch; viel Grün überall. Der Esstisch war für zwei Personen gedeckt. Neben einem Bukett aus gelben Rosen stand eine Kerze. Der Geruch der gelöschten Flamme lag noch im Raum. Durch die offene Terrassentür drang Vogelgezwitscher. Nebenan plärrte ein Kind.
    „Was ist mit Jens?“, fragte Anne Ludewig.
    Klaus nahm seine Uniformmütze ab. „Dürfen wir uns setzen?“
    Anne Ludewig zeigte auf die Couch. „Bitte.“
    Klaus und Dagmar setzten sich. Anne Ludewig blieb stehen. Sie sah Klaus an. „Also?“
    Dagmar hielt ihre Mütze in den Händen und starrte auf den Teppich. Verschlungene Linien in Blau-Rot-Türkis. Oder war es Grün?
    Klaus legte seine Mütze neben sich und deutete auf einen Sessel. Er wartete, bis Anne Ludewig Platz genommen hatte. „Ihr Sohn Jens ist in Spanien in Urlaub?“
    „An der Costa del Sol“, sagte Anne Ludewig.
    Es war Türkis. Eindeutig. Nicht Grün.
    „Er hatte einen Verkehrsunfall“, sagte Klaus.
    Die Linien formten sich zu einem Gesicht. Es sah sie an.
    „Wann?“, fragte Anne Ludewig. „Wie geht es ihm? Ich muss sofort ...“
    „Es tut mir sehr leid, Frau Ludewig. Ihr Sohn ist tot.“
    Eine blau-rot-türkisfarbene Fratze. Und die Vögel auf der Terrasse sangen, als wäre nichts geschehen.
    „Ist Ihr Mann telefonisch erreichbar?“, fragte Klaus.
    Anne Ludewig sah durch ihn hindurch.
    „Frau Ludewig, können wir irgendetwas ...“
    „Gehen Sie. Ich möchte allein sein.“
    Die Fratze bewegte sich unter Dagmars Füßen.
    Klaus räusperte sich. „Ich verstehe Sie ja. Aber wir sollten warten, bis Ihr Mann heimkommt.“
    „Nichts verstehen Sie“, sagte Anne Ludewig. „Bitte verlassen Sie mein Haus.“
    „Hat Ihr Mann ein Handy dabei?“
    „Gehen Sie. Bitte.“
    Die Fratze umschlängelte ihre Füße. Dagmar bohrte ihre Absätze in sie hinein.
    Klaus erhob sich. „Ich glaube, es wäre gut, wenn Sie jetzt nicht allein wären. Wir sollten ...“
    „Gut?“ Anne Ludewig sprang auf. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten. „Was wissen Sie denn schon!“
    Dagmar wollte aufstehen. Die Fratze hielt sie fest.
    „Lügen! Alles nur gottverdammte Lügen!“ Anne Ludewig schlug auf Klaus ein. „Wofür koche ich eigentlich?“
    Er hielt ihre Hände fest; sie versuchte verzweifelt, sich aus seinem Griff zu befreien. Ihre Stimme überschlug sich. „Überstunden? Dass ich nicht lache! Bei dem jungen Flittchen im Bett liegt er. Und denkt, ich merk’s nicht!“
    Klaus nahm sie in seine Arme. Sie wehrte sich kurz, dann begann sie zu weinen. „Mein Jens ist so ein guter Junge. Hat sein Abitur mit Eins gemacht. Als Einziger der ganzen Schule. Und wie er sich auf Spanien gefreut hat. Übermorgen kommt er heim.“ Klaus strich ihr übers Haar. Sie sah ihn lächelnd an. „Ist sein Auto sehr kaputt?“
    „Nein.“
    „Andere bekommen so was ja zum Abitur geschenkt, aber die Hypothek fürs Haus ... wir konnten es nicht. Jens hat gespart und jede Ferien gejobbt. Ich bin so stolz auf ihn, verstehen Sie?“
    „Ja.“
    „Ich hab extra was vom Haushaltsgeld zurückgelegt. Damit ich ihm was dazugeben konnte, zu seinem Urlaub.“
    Klaus nickte.
    „Schon als er noch im Sandkasten spielte, wollte er Arzt werden, wissen Sie. Und jetzt hat er auf Anhieb einen Studienplatz für Medizin bekommen.“
    „Das ist schön.“
    „Ja, nicht wahr?“ Anne Ludewig wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Klaus ließ sie los.
    „Bitte

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