Die Wassermuehle
Michael. „Pubertierende Söhne.“
„Sascha weiß wenigstens ungefähr, wo er wohnen will.“
„Ich habe drei Kreuze gemacht, als meine beiden aus dem Haus waren“, sagte Michael. „Ich wusste gar nicht, wohin mit dem vielen Geld. Du solltest unseren Dienststellenleiter nicht allzulange warten lassen.“
Als Klaus aus Kissels Büro kam, stieß er beinahe mit Dagmar zusammen. Wortlos lief sie an ihm vorbei in den Vernehmungsraum, setzte sich vor den Computer und starrte auf den Bildschirm.
Klaus ging ihr hinterher. „Na? Schon fertig mit deinen Vernehmungen?“
„Mach dich nur lustig über mich!“
„Mal ehrlich: Was hattest du erwartet?“
„Bestimmt nicht, dass der dumme Depp sie auch noch verteidigt! Die haben gerade so getan, als wäre ich an allem schuld!“
„Nun, ich ...“
„Wenn du jetzt sagst, dass du es gleich gewusst hast, raste ich aus.“
„Was hältst du von einer kleinen Präventivstreife?“
Dagmar meldete sich am Computer ab, zerknüllte die Anzeige und warf sie in den Papierkorb. „Sollen sie sich meinetwegen gegenseitig die Gräten verbiegen, bis sie grün und blau anlaufen!“
Klaus grinste. „Kannst du bügeln?“
„Wie bitte?“
Er deutete auf das Papierknäuel. „Wenn nicht, darfst du das nachher noch mal ausdrucken. Aufgenommene Strafanzeigen müssen der Staatsanwaltschaft übersandt werden. Erst recht, wenn du die betroffenen Bürger schriftlich zu einem Besuch bei uns einlädst.“
Dagmar fischte die Anzeige aus dem Papierkorb. „Scheißkram.“
„Es gibt ein paar Dinge, die du wirklich nicht von mir zu lernen brauchst, hm?“
Als sie auf der Wache die Autoschlüssel holten, gab Michael Klaus eine Unfallakte zurück. „Tut mir leid, aber Kissel besteht darauf, dass du das neu schreibst.“
Klaus blätterte die Akte durch. In seinem Schlussvermerk waren mehrere Sätze rot angestrichen. Am Rand stand NDR, mit zwei Ausrufezeichen versehen. Dagmar sah ihm neugierig über die Schulter. Klaus warf die Akte in sein Fach. „Langsam geht er mir auf den Geist.“
„Was bedeutet NDR?“ , fragte Dagmar.
„Neue deutsche Rechtschreibung“, sagte Michael belustigt. „Unser Chef legt größten Wert darauf. Wobei er selbst nicht so recht weiß, wie’s geht.“
„Hans-Jürgen schreibt ohne Rücksicht auf Verluste alles nur noch mit Doppel-s“, sagte Klaus. „Geht in der Regel anstandslos durch. Lass uns rausfahren.“
„Was machst du jetzt mit dem Vorgang?“, fragte Dagmar, als sie aus dem Hof fuhren.
„Warten, bis er in Urlaub geht.“
Sie lachte. „Du bist unmöglich, weißt du das?“
„Sicher. Meine Frau vertritt die gleiche Ansicht.“
Nach einer knappen Stunde beorderte Michael sie zur Dienststelle zurück. Er hielt Klaus ein Fernschreiben hin. „Das kam eben rein. Verkehrsunfall. An der Costa del Sol.“
„Warum immer ich?“
„Die anderen sind mit Auftrag unterwegs.“
Klaus ging in den Vernehmungsraum, setzte sich vor den Computer und holte die Eingabemaske für Einwohnermeldeamtsanfragen auf den Schirm.
„Seit wann sind wir für Verkehrsunfälle in Südspanien zuständig?“, fragte Dagmar lächelnd.
Klaus tippte Ludewig ein. „Nur für die Folgen.“
Dagmar setzte sich auf die Schreibtischkante. „Was machst du da?“
„Verdammt! Vermutlich der einzige Sohn.“
Dagmar griff nach dem Fernschreiben und begann zu lesen. Klaus stand auf. „Fährst du mit?“
Sie nickte. Ihr Gesicht war blass.
„Was ... Wie willst du es ihnen sagen?“, fragte sie, als sie eine Viertelstunde später aus dem Streifenwagen stiegen. Klaus zuckte mit den Schultern. Er blieb vor der Gartenpforte eines hellgelb getünchten Reihenhauses stehen und studierte das Namensschild. Dann drückte er zweimal auf den Klingelknopf. Der Summer tönte. Sie gingen hinein.
Rechts und links des gepflasterten Vorgartenwegs blühten Rosen und Lavendelbüsche. Neben der Haustür stand eine kleine Holzbank zwischen zwei sorgfältig gestutzten Buchsbäumchen. Sie waren an Bambusstäben festgebunden und mit sonnengelben Schleifen verziert. Dagmar wäre am liebsten weggelaufen.
„Frau Anne Ludewig?“, fragte Klaus freundlich, als sich die Haustür öffnete.
„Ja“, sagte die Frau. Dagmar schätzte sie auf Anfang fünfzig. Sie trug einen blassblauen Rock und eine aus der Mode gekommene Bluse. Ihr dunkles Haar war mit silbergrauen Strähnen durchsetzt. Sie lächelte. „Sie kommen wegen des Fotos, nicht wahr?“
„Welches Foto?“, fragte Klaus erstaunt.
„Na
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