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Die Wassermuehle

Die Wassermuehle

Titel: Die Wassermuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hahn
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anerkannten Sachverständigen vorgelegt. Als er den Preis erfuhr, hat er sich kaputtgelacht.“
    „Was unterstehen Sie sich! Meine Arbeiten werden sogar in New York nachgefragt!“
    Anette lachte verächtlich. „Wenn die Amis so doof sind, den Mist zu kaufen, sind sie selbst schuld. Hilft mir jetzt jemand beim Ausladen, oder soll ich den Krempel vor die Haustür kippen?“
    Vivienne brach in Tränen aus. Hedi folgte Anette und räumte die Bilder aus dem Wagen.
    „Wenn innerhalb von sieben Tagen die dreißigtausend Euro nicht auf meinem Konto gutgeschrieben sind, werdet ihr mich kennenlernen!“, sagte Anette.
    „Ich glaube nicht, dass es da noch viel Neues zu entdecken gibt“, konterte Hedi. „Dir ist hoffentlich klar, dass Christoph-Sebastian seine Ferien in Zukunft woanders verbringt?“
    „Im Gegensatz zu seinem Bruder ist Bernd liquide genug, eine angemessene Betreuung für seinen Nachwuchs zu finanzieren, meine Liebe.“
    „Ich empfehle dir, das Meißner Porzellan gegen Erdbeben zu versichern.“
    Anette stieg ein, startete den Motor und ließ das Fenster herunter. „Und ich empfehle dir, deine mäusekotverdreckte Bruchbude im Sperrmüll zu inserieren. Am besten unter der Rubrik: Verschenke.“ In einer Staubwolke brauste sie vom Hof. In der Einfahrt stieß sie um ein Haar mit Reiner Kunzes Taxi zusammen. Er machte eine Vollbremsung, fuhr feixend an Hedi vorbei und parkte zwischen Hühnergehege und VW-Bus ein.
    „Alle Wetter! Die Dame hat einen Fahrstil, als wäre der Leibhaftige hinter ihr her“, sagte er statt einer Begrüßung.
    „Die Dame ist der Leibhaftige“, entgegnete Hedi. „Und obendrein meine Schwägerin.“
    Reiner grinste. Sein Blick fiel auf die Bilder, die neben dem Eingang an der Wand lehnten. „Was für kraftvolle, lebendige Farben! Die hat mir Vivienne gestern aber nicht gezeigt.“ Er sah Leinwand für Leinwand durch. „Herrlich! Genau das, was ich suche.“
    „Wollten Sie nicht Ihre Verlobte mitbringen?“, fragte Hedi.
    „Nun ja ... Wir haben uns vorhin beim Geschirrspülen so gezofft, dass wir es vorzogen, den restlichen Tag getrennt voneinander zu verbringen. Von meinem nächsten Taxisold werde ich unserem verlotterten Haushalt eine Spülmaschine spendieren.“
    „Ich bin seit zwanzig Jahren verheiratet und sage Ihnen: Die löst das Problem auch nicht.“
    Reiner lachte. „Fährt Ihr Mann zufällig auch Taxi?“
    „Er ist bei der Polizei.“
    „Liebe Zeit! Hoffentlich nicht in Frankfurt?“
    „Viertes Revier in Offenbach.“
    „Unsere Freunde und Helfer mögen mich nämlich nicht besonders. Beruht allerdings auf Gegenseitigkeit.“
    „Ach?“, sagte Hedi amüsiert.
    „Die Abo-Gebühren für ihre Parktickets sprengen regelmäßig mein Budget. Außerdem haben sie mir mal mein Schillum geklaut. Und das Zimmergewächshaus. Eine Woche vor der Ernte. Zum Glück fiel’s noch unter Jugendsünde.“ Er nahm eins der Bilder hoch und betrachtete interessiert giftgelbe Quader und meerblaue Kugeln, die aus der violett grundierten Leinwand herauszupurzeln schienen. „Im Übrigen finde ich es an der Zeit, dass sie mal andere Rasterbögen für Verbrecher einführen. Bei jeder zweiten Verkehrskontrolle bin ich dabei. Ist Vivienne in ihrem Atelier?“
    „Äh ... nein.“
    Reiner stellte das Bild zurück. „Sie machen ein Gesicht, als hätten Sie sich auch beim Spülen gezofft.“
    Hedis Blick blieb an einem gelben Quader hängen. „Vivienne ist heute nicht in der Lage, Besuch zu empfangen.“
    „Lassen Sie mich raten: Ihre Unpässlichkeit hängt mit der leibhaftigen Dame und der Sammlung hier zusammen, oder?“
    „Meine Schwägerin ist der Meinung, dass die Bilder nichts taugen. Da sie vor der Konsultation eines Kunstexperten gegenteiliger Ansicht war, kaufte sie zehn Stück auf einmal, und jetzt will sie ihr Geld zurück, das wir nicht mehr haben.“
    „Das kommt mir irgendwie bekannt vor. Aber vielleicht tröstet es Sie, wenn ich Ihnen sage, dass von 1864 bis 1870 in den Vororten von Paris niemand so oft per Gerichtsbeschluss verkauft wurde wie Claude Monet. Jedesmal, wenn der Stapel an Rechnungen zu hoch wurde, ließ er seinen gesamten Hausstand zurück und machte sich aus dem Staub. Mehr als zweihundert seiner Bilder kamen auf diese Weise preisgünstig unters Volk. Wahrscheinlich endeten die meisten davon in Hinterzimmern übervorteilter Bäcker, Metzger und Weinhändler, deren Erben bei der Entrümpelung Freudentänze aufführten. Monet war Gourmet und liebte es, zu

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