Die Wassermuehle
gehört ihm ein Fass Gülle vor die Haustür gekippt! Es tut mir leid, aber ich muss gehen.“
„Soll ich dir ein Taxi rufen?“
„Ich bin mit dem Auto da.“
„Ich fahre dich, ja?“
„Ach was! Das bin ich gewohnt.“
Hedi umarmte sie zum Abschied. „Ich wünsche dir alles Gute. Ruf mal an, wenn das Baby da ist.“ Brigitte nickte, aber sie wussten beide, dass sie es nicht tun würde.
Als Hedi in die Galerie zurückkehrte, war Wolfgang immer noch mit der Blondine beschäftigt; sie hatte ihren Arm um ihn gelegt, und ihre Blicke waren eindeutig. Wolfgang spielte das Spielchen lächelnd mit. Hedi fragte sich, warum sie nicht eifersüchtig war. Bei Klaus hatte es genügt, dass er mit einer jungen Kollegin Streife fuhr, um einen Streit vom Zaun zu brechen. Sie nahm sich ein Kaviarhäppchen und blieb kauend vor Viviennes Bildern stehen. Eine hagere Frau in einem grünen Kostüm und ein dicker, schwitzender Mann stellten sich neben sie. Die Frau blätterte in einer metallic-blauen Mappe. „Wunderbar! Endlich einmal wieder kraftvolle, außergewöhnliche Bilder!“
„Mhm“, sagte der Mann.
„Diese ungeheure gestische Vehemenz! Faszinierend.“ Sie studierte die Schildchen, die rechts neben den Bildern angebracht waren, und trat zwei Schritte zurück. „Die Titel scheinen die figurativ-abstrakten, bedrückenden Farbkompositionen widerzuspiegeln. Dabei finde ich Kättaat insgesamt am besten gelungen. Schickfiet hingegen scheint mir etwas flüchtig komponiert zu sein.“
Hedi verschluckte sich am Kaviar. Die Frau warf ihr einen indignierten Blick zu. Hedi murmelte eine Entschuldigung und lief in den Lichthof hinaus. Sie hatte Mühe, nicht lauthals loszulachen. Flüchtig komponiert! Und sie hatte den Künstler zur Strafe als Mittagessen serviert.
„Hedi Winterfeldt, du bist ein Banause!“, sagte sie vergnügt und ging in die Galerie zurück.
Die blauen Mappen lagen auf einem Tisch neben dem Eingang. Hedi nahm sich eine. Genauso erlesen wie die Umhüllung war der Inhalt: aufwendig gestaltete Schmuckblätter, die Erläuterungen zu den in der Vernissage präsentierten Arbeiten und kurze biografische Angaben über die Künstler enthielten. Jedes Blatt war im Kopf mit einem eleganten blauen Schriftzug versehen. W. Bernsdorf – Galerie für Moderne Kunst, München. Viviennes Bilder wurden gleich auf der ersten Seite vorgestellt.
Die Künstlerin verzichtet darauf, ihre außergewöhnlichen Decollagen zu kommentieren. Ihre Arbeiten beziehen ihre Faszination aus einer ihnen innewohnenden Dualität, dem souveränen, fast spielerischen Umgang mit unterschiedlichen Materialien und der körperlich fühlbaren Intention, den eigenen Wahnsinn in einer Welt zu verstehen, die zunehmend vom Chaos regiert wird. Mit unglaublicher Expressivität und Farbensinnlichkeit erkundet Vivienne Belrot den Zusammenhang von Konzept und Form, von Bedeutung und Material, der dem durchschnittlichen In-Eile-Menschen unserer sensationshungrigen Welt längst abhanden gekommen scheint.
Hedi schlug die Mappe zu und ging zu Wolfgang. Die Blondine musterte sie abschätzend. Wolfgang lächelte. „Bist du zufrieden mit der Präsentation?“
„Ja. Hast du zufällig einen Stift und ein Blatt Papier für mich?“
„Willst du mich der Dame nicht vorstellen?“, fragte die Blonde pikiert.
„Entschuldigung“, sagte Wolfgang. „Hedi Winterfeldt – Suzanne von Gehlen.“
Suzanne gab Hedi die Hand. „Sie sind zu Besuch hier?“
Hedi nickte und deutete auf die Mappe. „Wenn’s nicht zuviel Umstände macht: Einen passenden Umschlag und eine Briefmarke bräuchte ich auch.“
„Nur, wenn du mir verrätst, was du vorhast“, sagte Wolfgang amüsiert.
Hedi zuckte die Schultern. „Meine Schwägerin ist ganz wild auf Ausstellungskataloge. Und ich bin ihr noch was schuldig.“
„Na, wenn das so ist.“ Er winkte eins der Mädchen zu sich und trug ihr auf, umgehend das Gewünschte zu besorgen. Hedi bedankte sich.
Suzanne von Gehlen bedachte sie mit einem eisigen Blick. „Wenn Sie uns jetzt bitte entschuldigen würden? Ich habe mit Herrn Bernsdorf noch etwas zu besprechen.“
„Warum so förmlich, meine Liebe?“ , sagte Wolfgang spöttisch. „Zwischen uns gibt es doch nichts zu bereden, was Hedi nicht hören dürfte.“
Suzanne drehte sich wortlos um und ging. Aus einem unerfindlichen Grund tat sie Hedi leid.
„Johannes von Gehlen ist einer meiner wichtigsten Geschäftspartner“, erklärte Wolfgang. „Und seine Tochter ein verzogenes
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