Die Wassermuehle
Hedi.“
Sie drehte sich um und erschrak. Brigitte sah furchtbar aus: Die blauschwarz gefärbten Locken standen ihr genausowenig wie das pinkrot changierende Kleid. Ihr Gesicht war aufgedunsen und wirkte trotz der Schminke blass, unter ihren Augen lagen Schatten.
Sie umarmten sich. „Du siehst klasse aus!“, sagte Brigitte mit bewunderndem Blick.
„Du auch“, entgegnete Hedi.
„Lass mal“, winkte sie ab. „Ich habe einen Spiegel zu Hause.“
Hedi musterte sie aufmerksam. „Sag, kann es sein ...?“
Sie nickte. „Sechster Monat.“
„Hat sich dein Doktor also doch zu dir bekannt? Das freut mich aber!“
Brigitte schüttelte den Kopf. „Er wollte, dass ich abtreibe. Vor zwei Monaten haben wir uns getrennt.“
„Er ist ein Schwein.“
„Meine Schuld. Ich dachte, ein Kind würde ihn dazu bewegen, sich für mich zu entscheiden. Das Gegenteil war der Fall.“ Sie zuckte die Schultern. „Wenigstens weiß ich jetzt, woran ich bin.“
„Soll das heißen, du hast es darauf angelegt?“
Sie lachte bitter. „Sicher. Ich bin gespannt, was seine Frau sagen wird, wenn ich ihm die ersten Babybilder und eine Rechnung nach Hause schicke.“
„Und das hältst du für eine gute Idee?“
„Ein bisschen Rache steht einer geschassten Geliebten ja wohl noch zu, oder? Immerhin darf seine holde Gattin ihn für den Rest ihres Lebens behalten. Wenn sie es denn nach dem Eingang meiner Post noch will.“
Hedi schluckte. Wie sehr musste er sie verletzt haben, dass sie so etwas sagte.
„Darf ich kurz stören?“ Ohne dass sie es gemerkt hatten, war Wolfgang herangekommen. Er küsste Hedi auf die Wange und gab Brigitte die Hand. „Brigitte, nicht wahr? Schön, dass Sie kommen konnten.“
Brigitte bekam einen roten Kopf. „Ich freue mich sehr, Sie kennenzulernen, Herr Bernsdorf.“
„Wenn ich schon so dreist bin, Sie beim Vornamen zu nennen, könnten wir dabei bleiben, oder? Ich heiße Wolfgang.“
„Gern, Herr ... Wolfgang.“
Er betrachtete lächelnd Hedis Frisur. „Du hast bis heute Abend Zeit dir zu überlegen, wie du die verlorene Wette einlösen willst.“
Eine aufdringlich geschminkte junge Blondine in einem silbernen Kleid winkte ihm zu. „Wolfgang! Kommst du mal?“
Er zuckte mit den Schultern. „Tut mir leid. Die Pflicht ruft.“
Brigitte sah ihm verzückt hinterher. „Du bist ein Glückspilz, Hedi!“
„Jetzt mach mal halblang, ja?“
Brigitte verdrehte die Augen. „Einer der begehrtesten Junggesellen von ganz München verguckt sich in dich, und du willst halblang machen?“
„Ich bin bloß für drei Tage zu Besuch.“
„Ich bitte dich! Dass der Bernsdorf in dich verschossen ist, sieht ein Blinder mit Krückstock!“
„Sein Gästezimmer ist nicht übel.“
„Gästezimmer? Du willst mir doch nicht weismachen, dass er nicht versucht hat ... Immerhin ist er als Don Juan bekannt. Stand zumindest in der Bunten Woche.“
Ein Mädchen hielt ihnen ein Tablett mit Sektgläsern hin. Hedi nahm sich eins. Brigitte winkte ab. „Gib’s doch zu, dass du in ihn verliebt bist.“
Hedi betrachtete angestrengt den perlenden Sekt. „Bin ich nicht.“
Brigitte lachte, und für einen Moment war sie wieder ganz die Alte. „Erzähl mir nichts.“
„Wir sind verschieden wie Feuer und Wasser. Außerdem ist mir seine Wohnung zu futuristisch.“
„Sag schon! Wie ist er so?“
„Nett.“
Brigitte zog eine Grimasse. „Ein wenig mehr Details, bitte.“
„Gestern Abend sprachen wir über Phallussymbole.“
„Sagtest du Phallus?“
Hedi lachte. Brigitte fasste sie am Arm. „An Bernsdorfs Seite gehörst du von heute auf morgen zur Hautevolee von München! Begreifst du nicht, was das für eine Chance ist? Und wie dumm es wäre, sie nicht zu nutzen? Ich an deiner Stelle würde es jedenfalls tun. Du müsstest nicht mehr arbeiten und ...“
„Ich arbeite aber gern. Außerdem habe ich einen Mann und zwei Kinder.“
„Wenn in deiner Ehe alles in Ordnung wäre, würdest du kaum hier herumstehen und fremde Männer anhimmeln, oder?“
„Ich himmele nicht!“, sagte Hedi.
Brigitte wurde noch blasser, als sie ohnehin schon war, und presste ihre Hände auf den Bauch. „O Gott! Es geht wieder los.“
„Was denn?“, fragte Hedi erschrocken.
„Ich muss aufs Klo.“ Sie lief hinaus; Hedi stellte den Sekt weg und folgte ihr.
Die Damentoiletten lagen hinter dem Lichthof, und Brigitte schaffte es in letzter Sekunde. Als sie wieder herauskam, war sie schweißgebadet. „Für jede Kotzattacke
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