Die Wassermuehle
nein.“
Er streichelte ihre Hand. „Die Entscheidung liegt allein bei dir.“
„Mhm“, sagte Hedi und widmete sich angestrengt ihrem Brötchen.
Als sie nach dem Frühstück das Geschirr zusammenräumen wollte, nahm Wolfgang es ihr aus der Hand. „Du bist mein Gast und nicht meine Haushaltshilfe! Nachher kommt Anna vorbei. Meine Wirtschafterin“, fügte er hinzu, als er ihren fragenden Blick sah. Er schaute zur Uhr. „Entschuldige, aber ich muss in die Galerie. Letzte Vorbereitungen treffen.“
„Dein Beruf ist dir sehr wichtig, oder?“
„Dir deiner etwa nicht?“
„Doch. Wie kommt man eigentlich dazu, Galerist zu werden?“
„Wie kommt man dazu, Krankenschwester zu werden?“
„Weil man anderen Menschen helfen will.“
„Und ein bisschen sich selbst, nicht wahr?“
Hedi wich seinem Blick aus. „Sag mal, dieser Dr. Siebmann ... Was ist das für einer?“
„Wenn er nicht gerade in der Weltgeschichte herumreist, sammelt er ungewöhnliche Kunstwerke, bevorzugt solche von hoffnungsvollen, relativ unbekannten Künstlern.“
„Weil er auf Wertsteigerung spekuliert?“
„Höchstens sekundär. Er genießt in der internationalen Kunstszene einen hervorragenden Ruf als Kritiker und Mäzen, und diesem Ruf ist es zuträglich, wenn er Talente entdeckt und fördert.“
„Und du meinst, Viviennes ... äh, Dingsda treffen seinen Geschmack?“
„Ihre Decollagen werden ihn interessieren, ja. Aber jetzt muss ich wirklich los.“
Als er gegangen war, rief Hedi Brigitte an. Sie sagte, dass sie sich freue, aber ihre Stimme klang nicht danach. Hedi erzählte, wem sie ihre Reise nach München verdankte, und am anderen Ende der Leitung wurde es still.
„Brigitte? Bist du noch da?“
„Du machst einen Witz, oder?“
„Nein. Warum?“
„Du bist tatsächlich bei Wolfgang Bernsdorf zu Besuch? Bei dem Wolfgang Bernsdorf?“
„Was denn? Gibt es etwa mehrere?“, fragte Hedi amüsiert.
„Liest du keine Zeitung? Bernsdorf ist ein bekannter Ausstellungsmacher und seine Galerie Treffpunkt der Crème de la Crème von München!“
„Er fragte, ob du Lust hast, heute Nachmittag zu seiner Vernissage zu kommen. Ich habe gesagt, du interessierst dich nicht für moderne Kunst.“
„Wie bitte? Er hat mich eingeladen? Hedi! Weißt du, was das heißt, von Wolfgang Bernsdorf eingeladen zu werden? Und er hat wirklich gesagt, dass ich kommen darf?“
„Herrgott, ja. Eröffnung ist um drei. Ich nehme nicht an, dass ich dir den Weg beschreiben muss, oder?“
„Nein. Liebe Zeit, bin ich aufgeregt!“
Kopfschüttelnd beendete Hedi das Gespräch. Sie sah aus dem Fenster. Das Wetter machte Lust auf einen Spaziergang.
Als sie zwei Stunden später wiederkam, unterhielt sich Wolfgang im Flur mit einer älteren Frau. „Das trifft sich gut“, sagte er lächelnd. „Hedi, darf ich dir Anna vorstellen?“
Annas Augen waren so grün wie die von Elisabeth, und ihr Gesicht strahlte Wärme und Herzlichkeit aus. Sie drückte Hedis Hand. „Ich hoffe, Sie bringen dem Luftikus hier endlich ein paar Manieren bei.“
„Also, Anna! Bezahle ich dich etwa dafür, dass du meine Gäste verprellst?“, sagte Wolfgang gespielt beleidigt. Er sah Hedi an. „Ich kann machen, was ich will: Sie behandelt mich wie ein Schulkind.“
Anna lachte. „Außer dass du ein bisschen gewachsen bist, hat sich ja auch nicht viel geändert, oder?“
Er drohte ihr grinsend mit dem Zeigefinger. „Noch ein Wort, und du bist fristlos entlassen.“
„Na, dann verschwinde ich mal lieber. Brauchst du mich morgen?“
Wolfgang schüttelte den Kopf. Anna zog ihre Jacke an und verabschiedete sich.
„Die Gute hat mich schon als Baby in den Schlaf gesungen“, sagte er, als sie ins Wohnzimmer gingen. „Ich habe mit ihr mehr Zeit verbracht als mit meiner Mutter. Hast du dir München angeschaut?“
Hedi setzte sich. „Ja. Die Sonne hat mich rausgelockt.“
Wolfgang ging zur Bar. „Willst du was trinken?“
„Aber nichts Alkoholisches, bitte.“
Er goss sich einen Whisky ein. „Saft? Wasser? Kaffee? Tee?“
„Wasser.“
„Hast du deine Freundin erreicht?“
„Sie hat mich über die besondere Ehre aufgeklärt, die es bedeutet, von dir eingeladen zu werden.“
Er grinste. „Es hat dich nicht beeindruckt, stimmt’s?“
„Beim Anblick der oberen Zehntausend bekomme ich Minderwertigkeitskomplexe.“
Er stellte eine Flasche Perrier und ein Glas auf den Tisch. „Ich kann dich beruhigen. In meine Galerie passen höchstens ein paar Dutzend von
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