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Die Wassermuehle

Die Wassermuehle

Titel: Die Wassermuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hahn
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und Herkunft der Ware in ernsthaften Zweifel gezogen. Die Preise erschienen mir etwas niedrig. Hinterher habe ich mich krankgelacht.“
    Hedi nahm ein Kleid vom Ständer und warf einen Blick aufs Preisschild. „Was ist lustig daran, Sachen anzuprobieren, die man nicht bezahlen kann?“
    Die Verkäuferin näherte sich. Sie war höchstens zwanzig und sah aus wie eine zum Leben erweckte Schaufensterpuppe. „Kann ich Ihnen behilflich sein?“
    Hedi hängte das Kleid zurück und schüttelte den Kopf.
    „Ich suche ein Abendstyling“, sagte Vivienne. „Es darf gern etwas Ausgefallenes sein.“
    Die Verkäuferin strahlte. „Da habe ich was für Sie! Ganz neu hereingekommen: Röcke in Häkeloptik, kombiniert mit einem Silbertop. Der absolute Trend in diesem Herbst und ein Highlight auf jedem Evening-Event! Wenn Sie mir bitte folgen wollen?“
    „Ich warte draußen“, sagte Hedi.
    Zwei Stunden später verabschiedeten sie sich an der S-Bahn-Station. Vivienne hielt in jeder Hand zwei Tüten. „Mit dir Klamotten kaufen zu gehen, ist anstrengender als mit Jean-Paul!“
    „Hast du ihn deshalb in die Wüste geschickt?“
    Sie lachte. „So leicht entkommst du mir nicht.“
    „Ich weiß nicht mal deine Telefonnummer.“
    Vivienne stellte die Tüten ab, kramte in ihrer Handtasche und gab Hedi ein schwarzes Visitenkärtchen. Vivienne C. Belrot, Künstlerin, stand in geschwungener Goldschrift darauf, eine eMail-Adresse, Fax & Fon mit einer Nummer; sonst nichts. Hedi steckte das Kärtchen ein. „ Fon hat Sascha gesagt, als er zweieinhalb war.“
    Die S-Bahn nach Offenbach fuhr ein. Vivienne küsste Hedi auf die Wangen, als wollte sie sich für alle Ewigkeiten verabschieden. „Ich glaube, wir werden noch viel Spaß zusammen haben. Ruf mich an, wenn du mal wieder Zeit hast.“
    * * *
    Den darauffolgenden Vormittag verbrachte Hedi in der Fußgängerzone in Offenbach. In Edda Schmielings Secondhandshop entschied sie sich für ein rotes Leinenkostüm. Passende Pumps fand sie zwei Straßen weiter. Anschließend fuhr sie in den Vordertaunus, um einen Regenschirm zu kaufen.
    Anette hatte behauptet, dass der Brigg , den Bernd sich wünschte, nur von ausgesuchten Läden vertrieben werde. Hedi schalt sich eine Närrin, dass sie überhaupt angerufen hatte, und das umsomehr, als sie am Frankfurter Kreuz eine Stunde lang im Stau stand.
    Der ausgesuchte Laden sah so unscheinbar aus, dass sie zweimal daran vorbeifuhr. Außer Regenschirmen führte er Lederwaren aller Art. Der Verkäufer trug einen dunklen Anzug und lächelte. Welches Modell gnädige Frau bevorzuge?
    Hedi musste sich das Grinsen verkneifen. „Ach? Gibt es mehrere davon?“
    „Sie haben die Wahl zwischen einem Brigg -Gästeschirm, einem Brigg -Sitzschirm und einem Brigg -Stockschirm, gnädige Frau“, zählte der Verkäufer mit melodischer Stimme auf.
    „Es soll ein Geschenk sein, und der Herr ist Bankdirektor.“
    „In diesem Fall würde ich Ihnen einen klassischen Stockschirm empfehlen. Für den anspruchsvollen Herrn zum Beispiel den extravaganten Prince of Wales . Der Griff ist aus Malacca-Rohr gefertigt, der Griffbogen mit einer massiven Sterling-Silbernase versehen, das Schirmdach tiefschwarz und absolut blickdicht. Auch gern genommen wird der Brigg Cherry Wood, ein außergewöhnlich schönes Modell. Unterstock und Griff sind ...“
    „Den nehme ich!“, sagte Hedi und wünschte Anette die Krätze an den Hals.
    Der Verkäufer nickte. „Eine sehr gute Wahl, gnädige Frau. Wenn Sie sich bitte einen Moment gedulden würden?“ Er verschwand im hinteren Teil des Ladens und kam mit einem schwarzen Herrenstockschirm zurück. „Brigg fertigt im Prinzip nur auf Bestellung, aber wir haben ein halbes Dutzend auf Lager genommen. Selbstverständlich werden die Schirme bei Bedarf repariert und gegebenenfalls neu bespannt.“
    „Man hat mir ausdrücklich versichert, die würden eine Weile halten!“
    „Aber selbstverständlich, gnädige Frau. Mit Brigg haben Sie sich für ein Qualitätsprodukt entschieden.“ Er strich andächtig über den Holzknauf und die Bespannung. „Der Stock wird aus einem naturgewachsenen Stück Kirschbaumholz gefertigt, das Schirmdach besteht aus echter Schirmseide, dreifach gewebt und absolut wasserdicht.“
    „Soso.“ Hedi begann am Verstand von Anette zu zweifeln. Ein Schirm, bei dem man erwähnen musste, dass er wasserdicht war, konnte nicht allzuviel taugen.
    „26-Inch-Gestänge aus Stahlrohr und Messing, Durchmesser des geöffneten Daches

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