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Die Wassermuehle

Die Wassermuehle

Titel: Die Wassermuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hahn
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wieder. „Es ist nicht seine Schuld. Ich bin es, die nicht mehr ... na ja.“
    „Mit ihm schlafen will“, vervollständigte Vivienne ungerührt. „Das wundert mich nicht. Lüsternheit ist ein Spiel mit dem zu Genießenden und mit dem Genossenen.“
    „Ich bitte dich! Das ist ...“
    „... ein Zitat von Johann Wolfgang von Goethe. Du siehst, das Thema wird schon länger diskutiert.“
    „Ich muss aufs Klo. Und duschen.“
    „Du weißt, wo das Bad ist, oder?“ Mit Blick auf Hedis ruiniertes Kostüm fügte sie hinzu: „Du darfst dir gern eins von meinen Kleidern ausleihen.“
    Als Hedi in den Salon zurückkam, lief Vivienne immer noch im Bademantel herum. „Gefallen dir meine Kleider nicht?“, fragte sie irritiert.
    Hedi zuckte die Schultern. „Entweder bist du zu dünn oder ich zu dick. Soll ich dir beim Aufräumen helfen?“
    „Lass mal. Nachher kommt meine Haushaltshilfe vorbei.“
    Hedi wünschte sich, bei ihr zu Hause käme auch mal eine Haushaltshilfe vorbei. Viviennes Handy klingelte. Sie meldete sich. „Ja, sie ist jetzt wach. Einen Moment, bitte.“
    „Hallo, Mama“, sagte Dominique. „Ich wollte fragen, ob du zum Mittagessen heimkommst.“
    „Wie bitte?“, fragte Hedi verwirrt.
    „Wenn du so gegen zwölf Uhr hier sein könntest? Bis dahin bin ich soweit.“
    „Womit bist du um zwölf soweit?“
    „Die Gans schmurgelt schon.“
    „Seit wann kannst du kochen?“
    „Wofür haben wir Kochbücher?“
    „Ich komme. Tschüss.“
    Vivienne nahm Hedi das Handy ab. „Siehst du! Es funktioniert. Du machst dich rar, und sie rollen den roten Teppich aus.“
    Hedi griff nach ihrer Jacke. Vivienne schüttelte den Kopf. „Du hast noch eine gute Stunde Zeit. Wenn du jetzt klein beigibst und sofort angerannt kommst, war alles umsonst!“
    Zögernd legte Hedi die Jacke beiseite und setzte sich. In ihrem Kopf kreisten Bilder von qualmenden Backöfen und verrußten Einbauküchen. Sie deutete auf den leeren Platz neben dem Weihnachtsbaum. „Wo hast du die hübsche Biedermeiervitrine hingeräumt, die neulich dort stand?“
    „Ich habe vor, mich neu einzurichten.“
    „Du steigst doch nicht etwa auf Stahlrohrmöbel um?“
    Vivienne lachte. „Ich dachte eher an Jugendstil. Ab und zu brauche ich etwas Neues. Der Inspiration wegen. Ich habe Tee gekocht. Magst du eine Tasse?“
    Hedi nickte. „Hast du irgendwann auch mal schlechte Laune?“
    Vivienne brachte eine Thermoskanne, Zucker und Teegläser. „Wünsche dir lieber nicht, dass ich welche kriege.“
    Hedi goss Tee ein und probierte einen Schluck; ihr Magen meldete sich nicht. „Warum hast du eigentlich nicht geheiratet?“
    „Das fragst du noch?“
    „Auch wenn ich mich ab und zu über meine Familie ärgere: Ich könnte mir nicht vorstellen, ohne sie zu sein.“
    Vivienne setzte sich zu ihr aufs Sofa. „Soso.“
    „Ich meine das ernst! Selbst wenn ich heute Nacht das Gegenteil behauptet haben sollte.“
    „Betrunkene und Kinder sagen die Wahrheit, oder?“
    „Du kennst meinen Neffen nicht“, versuchte Hedi zu scherzen.
    Vivienne lächelte. „Viele, von denen man glaubt, sie seien gestorben, sind bloß verheiratet. Sagt Françoise Sagan.“
    „Und was sagst du?“
    „ Die Liebe ist ein Stoff, den die Natur gewebt und die Fantasie bestickt hat. Ihn täglich zu tragen, würde bedeuten, ihn zu verschleißen. Liebe ist eine Tat der Seele. Nur, wo wir lieben, gedeiht auch unser Talent.“ Sie lächelte versonnen. „Verliebte gehen aufeinander zu, sie treffen einander; Verheiratete sind parallel ausgerichtet: Sie begegnen einander erst wieder bei Scheidung und Tod.“
    „Eine Familie zu haben, heißt, Verantwortung zu übernehmen. Da kann ich nicht einfach tun und lassen, wonach mir gerade ist!“
    „Und warum hast du es dann gestern Abend gemacht?“
    Hedi schwieg.
    „Na gut. Einen Schuss Wüste braucht der Mensch: um des Glücks der Oase willen.“ Sie stupste Hedi lächelnd an. „He! Ich versuche, dich aufzumuntern.“
    „Sag mir, was das ist: Glück.“
    Vivienne lehnte sich zurück. „Dass ich fröhlich bin, die Sachen leicht nehme, rasch lebe? Der Scharfblick für Gelegenheiten und die Fähigkeit, sie zu nutzen? Alles, was die Seele durcheinanderrüttelt? Eine Nacht zwischen einem schönen Mann und einem schönen Himmel?“ Sie seufzte. „Wie könnte ausgerechnet ich eine Frage beantworten, über die sich Philosophen und Gelehrte seit Jahrhunderten die Köpfe heißreden?“
    „Dann stelle ich sie anders: Bist du

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